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27.11.2025

Verwaltungsgericht Gießen: Eilantrag des Kreisverbandes der Partei DIE LINKE (Kreisverband Gießen) gegen räumliche Beschränkungen der für den 29. November 2025 geplanten Versammlung erfolgreich

Mit soeben ergangenem Eilbeschluss hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen dem Eilantrag der Partei DIE LINKE, Kreisverband Gießen (im Folgenden: DIE LINKE), der sich gegen durch die Stadt Gießen verfügte versammlungsrechtliche Beschränkungen gerichtet hatte, größtenteils stattgegeben. Die für den 29. November 2025 geplante Versammlung darf damit auf der Westseite der Lahn stattfinden.

DIE LINKE meldete Anfang November 2025 anlässlich der in den Hessenhallen geplanten Neugründung der Jugendorganisation der „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine Versammlung zu dem Thema „Stadt und Land - gemeinsam gegen den Faschismus“ für den 29. November 2025 bei der Stadt Gießen an. Diese sollte auf den Versammlungsflächen der Straßen in der „Rodheimer Straße“ Ecke „An der Hessenhalle“ stattfinden; angemeldet wurden 1.000 Teilnehmende.

Mit Bescheid vom 22. November 2025 ordnete die Stadt Gießen u.a. die Festlegung und Beschränkung des Kundgebungsorts auf die Ostseite der Lahn, dort: Lahnstraße auf den Lahnwiesen auf dem Gebiet zwischen der Konrad-Adenauer-Brücke bis Sachsenhäuser Brücke (Rodheimer Straße), an. Zur Begründung gab die Stadt Gießen an, dass es sich bei den geplanten Versammlungsflächen um Bereiche handele, in denen voraussichtlich eine deutlich höhere Gefahrenlage bestehe, aus der sich erhebliche Gefährdungen für bedeutsame Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden der AfD-Veranstaltung und der geplanten Versammlungen, von Polizeikräften und Dritten sowie die Funktionsfähigkeit des Rettungs- und Notfallwesens ergäben. Aufgrund der aktuellen Prognose der Anzahl der Teilnehmenden (angemeldet ca. 1.000) und zahlreichen weiteren Versammlungsanmeldungen für den unmittelbaren Nahbereich der Messehallen GmbH in der Straße An der Hessenhalle und der Gießener Innenstadt sei auf ein erhöhtes Gefahrenmoment zu schließen. Zudem sei es bei vergleichbaren Protesten in Essen (2024) und in Riesa (2025) zu einer Vielzahl von Straftaten gekommen. Ferner verfügte die Stadt eine Pflicht zur Stellung von einem Ordner je 25 Teilnehmenden, eine Beschränkung der von der Versammlung abgestrahlten Lautstärke und ein Verbot von bestimmten Gegenständen zur Vermummung oder Passivbewaffnung.

Hiergegen wandte sich DIE LINKE mit ihrem Eilantrag. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass keine vergleichbare Situation wie in Essen oder Riesa vorliege. Ferner sei die Ortsbeschränkung nicht erforderlich, da die Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen ebenso wie eine Durchführung der Versammlung in Hör- und Sichtweite der Hessenhallen sichergestellt werden könne. Im Fall von dynamischen Situationen seien hinreichende Fluchtmöglichkeiten gegeben. Der verwendete Ordnerschlüssel sei unüblich und rechtswidrig. Die verfügte Lautstärkenbeschränkung werde den Gegebenheiten einer derartigen Massenversammlung von ca. 1.000 Teilnehmenden nicht gerecht.

Die 10. Kammer hat dem Antrag hinsichtlich der räumlichen Beschränkungen mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Versammlungsfläche auf der Straße „An der Hessenhalle“ einen Abstand von 50 Metern von der Kreuzung der Straßen „Rodheimer Straße“ und „An der Hessenhalle“, gemessen von der Mitte der Straßenkreuzung“ einhält. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Vorbringen der Stadt Gießen nicht die Prognose einer unmittelbaren Gefahr für kollidiere Verfassungsgüter wie Leben, Gesundheit, Ehre, Eigentum, die Würde des Menschen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Versammlungsfreiheit selbst sowie die Funktionsfähigkeit öffentlicher Einrichtungen begründe, sodass eine Beschränkung der Versammlung nicht gerechtfertigt sei. Insbesondere sei eine Zufahrt von Rettungskräften auch durch die erfolgte gerichtliche Abstandsregelung hinreichend sichergestellt. Belastbare Hinweise darauf, dass Teilnehmende der Versammlung die Kreuzung der Straßen An der Hessenhalle und Rodheimer Straße unpassierbar machen wollen, seien nicht vorgelegt worden. Die festgesetzte Anzahl an Ordnern stufte die Kammer als nicht erforderlich ein und gab dem Antrag mit der Maßgabe statt, dass eine Ordnerin/ein Ordner je 50 Teilnehmenden zum Einsatz zu bringen ist. Hinsichtlich der Lautstärkeregelung gab die Kammer dem Eilrechtsschutzantrag mit der Maßgabe statt, dass bei allen Verstärkeranlagen für die Zeit bis 22:00 Uhr die abgestrahlte Lautstärke auf maximal 70 dB(A) (in den Geräuschspitzen max. 90 dB(A)) und ab 22:00 Uhr auf max. 55 dB(A) (in den Geräuschspitzen max. 65 dB(A)) beschränkt bleibt. Insoweit führte die Kammer aus, dass hierdurch Gesundheitsgefahren für unbeteiligte Dritter hinreichend verhindert werden könnten.

Das durch die Stadt Gießen für die Versammlung verfügte Verbot von Schutzausrüstung und Vermummungsgegenständen wie etwa Gesichtsschutzmasken, Gasmasken, Schutzbrillen, Skibrillen, körperlichen Protektoren auch aus dem Sportbereich, Schutzbrillen (z. B. Schweißerbrillen), Ski-Brillen oder Ähnlichem ist nach Einschätzung der Kammer hingegen rechtmäßig. Diese Gegenstände bzw. Bekleidungsstücke seien objektiv zum Schutz des Körpers bei kämpferischen Auseinandersetzungen oder zur Verhinderung der Feststellung der Identität bestimmt bzw. geeignet.

Die Entscheidung (Beschluss vom 27. November 2025, Az.: 10 L 6662/25.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen

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