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15.06.2023

Zwei Vorbilder für Erhalt alter Baukultur: Verleihung des Denkmalpreises 2023

Am Mittwoch (14. Juni) wurde zum vierten Mal der Denkmalpreis der Universitätsstadt Gießen durch den Magistrat verliehen. Die Verleihung fand aus Termingründen erstmalig im Rahmen der Sitzung des Denkmalbeirates statt. Mit diesem Preis werden seit 2018 Denkmaleigentümer in der Stadt Gießen ausgezeichnet, die in vorbildlicher Weise und mit großem ideellem und finanziellem Aufwand Kulturdenkmäler erhalten und pflegen.

Eine Jury aus Mitgliedern des Denkmalbeirats, Mitarbeitern der Unteren Denkmalschutzbehörde Gießen und des Landesamt für Denkmalpflege Hessen, besetzt mit Fachleuten aus den Bereichen Kunstgeschichte, Architektur und Denkmalpflege, hat nach denkmalfachlichen Gesichtspunkten entschieden. Der Preis besteht aus einer Bronzeplakette, die am Kulturdenkmal angebracht wird. Ein Geldpreis ist mit der Auszeichnung nicht verbunden. Die ausgezeichneten Sanierungsmaßnahmen wurden während der Preisverleihung in einer Bilderdokumentation vorgestellt.

Ausgezeichnet wurden in diesem Jahr zwei Preisträger: ein repräsentatives Eckwohnhaus und ein kleineres, ehemaliges Geschäfts- und Wohnhaus, die beide um 1900 errichtet wurden. Sie sind geprägt vom dekorativen Einsatz der Materialien Klinker, Putz und Fachwerk. Doch während das Mehrparteienwohnhaus Keplerstraße 1 vor allem auf Fernwirkung gestaltet wurde, zeugt das schmucke Wohnhaus in der Crednerstraße von der ehemals kleinteiligen Bebauung dieser Straße, in der 1897 die Baugenossenschaft des evangelischen Arbeitervereins zu Gießen ihre ersten Arbeiterhäuschen erbaute. Wie Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher in seiner Einführung betonte, haben beide Preisträger in enger Abstimmung mit der städtischen Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen die historische Bausubstanz nach Vernachlässigung oder späteren, die Substanz nicht respektierenden Veränderungen wieder freigelegt und denkmalgerecht saniert. Sie haben in ihrem jeweiligen Bereich Vorbildcharakter für andere Bauträger oder Eigentümer von historischen Gebäuden.

Die Preisträger

Keplerstraße 1

In der Kategorie Wohnhaus geht der Denkmalpreis 2023 an Herrn Kai Laumann aus Wettenberg.

Das 1899 errichtete dreigeschossige Eckhaus ist bewusst als Korrespondenz zum gegenüberliegenden Eckhaus Bismarckstraße 32 gestaltet, der großvolumige Bau mit hohem schiefergedecktem Mansarddach ist mit seiner abwechslungsreichen Dach- und Giebellandschaft auf Fernwirkung angelegt. Die bauzeitliche Schaufassade mit Ecktürmen wurde 1944 durch einen Bombentreffer stark beschädigt, aber nicht wie viele andere teilweise noch sanierungsfähige Gebäude abgerissen, sondern von dem damals mit dem Wiederaufbau der Innenstadt befassten Architekten Hermann Dirksmöller vereinfacht neu gestaltet.

In der Folgezeit drohte dem Gebäude jedoch der endgültige Verfall, da vor allem das markante Dach und der Dachstuhl durch eindringendes Wasser und mangelnde Pflege immer größere Schäden aufwiesen. In enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde sanierte der neue Eigentümer Kai Laumann das Baudenkmal. Die Putzflächen, die Klinkerflächen und das Fachwerk wurden gereinigt und nach historischem Befund neu gefasst, so dass das bauzeitliche Material- und Farbenspiel wieder zur Geltung kommt. Die prägenden Fenster wurden nach historischem Vorbild detailgetreu rekonstruiert und die wenigen aus der Bauzeit erhaltenen sorgfältig restauriert. Hervorzuheben sind auch die Erneuerung der Eingangstüren nach historischen Vorbildern und die behutsame Sanierung aller historischen Metallbauteile wie Zäune, Balkongeländer und Vordächer. Ein Lastenaufzug an der Rückseite der Fassade, der möglicherweise dem Kohletransport in die Etagenwohnungen diente, wurde ebenfalls erhalten. Die prägende Dachlandschaft wurde durch eine denkmalgerechte und aufwendige Neueindeckung mit Schiefer wiederhergestellt.

Mit der denkmalgerechten Sanierung durch Herrn Kai Laumann wurde ein wertvoller Beitrag zur Erhaltung eines wichtigen kunst- und stadtgeschichtlichen Bauzeugnisses des Universitätsviertels geleistet.

Gebäude Keplerstraße 1 im Zeitstrahl: ganz früher, mit Kriegsschaden und im Jahr 2023
Gebäude Keplerstraße 1 im Zeitstrahl: ganz früher, mit Kriegsschaden und im Jahr 2023

Crednerstraße 8

In der Kategorie Wohnhaus werden Frau Dr. Ulrike Gamerdinger und Herr Dr. Florian Gamerdinger mit dem Denkmalpreis 2023 ausgezeichnet.

Das 1901 für einen Tabakhändler erbaute kleine Wohn- und Geschäftshaus zeichnet sich durch eine interessante verschieferte Dachlandschaft, pittoreskes Zierfachwerk im Obergeschoss und das Wechselspiel von farbigen Klinkern und Putzflächen im Erdgeschoss aus. Das Fachwerk wurde denkmalgerecht saniert und ebenso wie die Putzflächen nach historischen Farbbefunden gestaltet. Da die bei einer früheren Sanierung aufgebrachte Beschichtung der Klinker nicht ohne Substanzschäden entfernt werden konnte, wurden die vermutlich aus der Gail’schen Dampfziegelei und T(h)onwarenfabrik Wilhelm Gail stammenden Klinker im Originalton neu gefasst und durch einen farblich an den Kalkmörtel angelehnten Fugenstrich strukturiert.

Die Holzbauteile des Dachstuhls und des Fachwerks mussten in kleinen Teilen erneuert und ergänzt werden. Des Weiteren wurden die Dachflächen mit Schiefer denkmalgerecht neu eingedeckt. Die Jury hob besonders die gelungene energetische Sanierung des Daches hervor. Dank zahlreicher zwischen Architekt und Denkmalpflege abgestimmter Dämmdetails konnte das filigrane historische Proportionsspiel der Schieferdachlandschaft trotz zusätzlicher Aufdachdämmung erhalten werden.

Die Preisträger Gamerdinger haben einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und zum Erscheinungsbild des Einzelkulturdenkmals und des Straßenzuges der Crednerstraße geleistet, von dem eine beispielhafte Außen- und Signalwirkung für weitere Denkmalsanierungen ausgeht.

 

Denkmalpreis Gießen

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