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Denkmalpreis

Am Tag des offenen Denkmals, jeweils am zweiten Sonntag im September, lobt der Magistrat der Universitätsstadt Gießen seit 2018 den Denkmalpreis aus. Mit diesem Preis werden private Denkmaleigentümer der Stadt ausgezeichnet, die in vorbildlicher Weise und mit großem ideellem und finanziellem Aufwand Kulturdenkmäler erhalten und pflegen.

Preiswürdige Objekte können innerhalb einer jährlich festgesetzten Frist von ca. acht Wochen nach der Auslobung von der gesamten Öffentlichkeit vorgeschlagen werden, Denkmaleigentümer können sich aber auch selbst bewerben. Eine Jury aus Mitgliedern des Denkmalbeirats und Mitarbeitern der Unteren Denkmalschutzbehörde Gießen sowie des Landesdenkmalamts Hessen entscheidet dann bis zum 31. März des Folgejahrs über die Vergabe des Preises. Dieser besteht aus einer Bronzeplakette, die am Denkmal angebracht wird, ein Geldpreis ist mit der Auszeichnung nicht verbunden.

Die Sanierungsmaßnahme für eine Bewerbung um den Denkmalpreis 2025 darf nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. Über das folgende Formular können bis zum 15.11.2024 (Poststempel) preiswürdige Objekte vorgeschlagen werden, eine Bewerbung vom Eigentümer selbst ist auch möglich.


Denkmalpreis 2023

Keplerstraße 1

In der Kategorie Wohnhaus geht der Denkmalpreis 2023 an Herrn Kai Laumann aus Wettenberg.

Das 1899 errichtete dreigeschossige Eckhaus ist bewusst als Korrespondenz zum gegenüberliegenden Eckhaus Bismarckstraße 32 gestaltet, der großvolumige Bau mit hohem schiefergedecktem Mansarddach ist mit seiner abwechslungsreichen Dach- und Giebellandschaft auf Fernwirkung angelegt. Die bauzeitliche Schaufassade mit Ecktürmen wurde 1944 durch einen Bombentreffer stark beschädigt, aber nicht wie viele andere teilweise noch sanierungsfähige Gebäude abgerissen, sondern von dem damals mit dem Wiederaufbau der Innenstadt befassten Architekten Hermann Dirksmöller vereinfacht neu gestaltet.

In der Folgezeit drohte dem Gebäude jedoch der endgültige Verfall, da vor allem das markante Dach und der Dachstuhl durch eindringendes Wasser und mangelnde Pflege immer größere Schäden aufwiesen. In enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde sanierte der neue Eigentümer Kai Laumann das Baudenkmal. Die Putzflächen, die Klinkerflächen und das Fachwerk wurden gereinigt und nach historischem Befund neu gefasst, so dass das bauzeitliche Material- und Farbenspiel wieder zur Geltung kommt. Die prägenden Fenster wurden nach historischem Vorbild detailgetreu rekonstruiert und die wenigen aus der Bauzeit erhaltenen sorgfältig restauriert. Hervorzuheben sind auch die Erneuerung der Eingangstüren nach historischen Vorbildern und die behutsame Sanierung aller historischen Metallbauteile wie Zäune, Balkongeländer und Vordächer. Ein Lastenaufzug an der Rückseite der Fassade, der möglicherweise dem Kohletransport in die Etagenwohnungen diente, wurde ebenfalls erhalten. Die prägende Dachlandschaft wurde durch eine denkmalgerechte und aufwendige Neueindeckung mit Schiefer wiederhergestellt.

Mit der denkmalgerechten Sanierung durch Herrn Kai Laumann wurde ein wertvoller Beitrag zur Erhaltung eines wichtigen kunst- und stadtgeschichtlichen Bauzeugnisses des Universitätsviertels geleistet.

Gebäude Keplerstraße 1 im Zeitstrahl: ganz früher, mit Kriegsschaden und im Jahr 2023
Gebäude Keplerstraße 1 im Zeitstrahl: ganz früher, mit Kriegsschaden und im Jahr 2023

Crednerstraße 8

In der Kategorie Wohnhaus werden Frau Dr. Ulrike Gamerdinger und Herr Dr. Florian Gamerdinger mit dem Denkmalpreis 2023 ausgezeichnet.

Das 1901 für einen Tabakhändler erbaute kleine Wohn- und Geschäftshaus zeichnet sich durch eine interessante verschieferte Dachlandschaft, pittoreskes Zierfachwerk im Obergeschoss und das Wechselspiel von farbigen Klinkern und Putzflächen im Erdgeschoss aus. Das Fachwerk wurde denkmalgerecht saniert und ebenso wie die Putzflächen nach historischen Farbbefunden gestaltet. Da die bei einer früheren Sanierung aufgebrachte Beschichtung der Klinker nicht ohne Substanzschäden entfernt werden konnte, wurden die vermutlich aus der Gail’schen Dampfziegelei und T(h)onwarenfabrik Wilhelm Gail stammenden Klinker im Originalton neu gefasst und durch einen farblich an den Kalkmörtel angelehnten Fugenstrich strukturiert.

Die Holzbauteile des Dachstuhls und des Fachwerks mussten in kleinen Teilen erneuert und ergänzt werden. Des Weiteren wurden die Dachflächen mit Schiefer denkmalgerecht neu eingedeckt. Die Jury hob besonders die gelungene energetische Sanierung des Daches hervor. Dank zahlreicher zwischen Architekt und Denkmalpflege abgestimmter Dämmdetails konnte das filigrane historische Proportionsspiel der Schieferdachlandschaft trotz zusätzlicher Aufdachdämmung erhalten werden.

Die Preisträger Gamerdinger haben einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und zum Erscheinungsbild des Einzelkulturdenkmals und des Straßenzuges der Crednerstraße geleistet, von dem eine beispielhafte Außen- und Signalwirkung für weitere Denkmalsanierungen ausgeht.


Denkmalpreis 2022

Alten-Busecker Straße 1

Kategorie: Fachwerkwohnhaus

Preisträgerin: Frau Cornelia Piotrowski

Das traufständige Fachwerkhaus aus dem 18. Jh. liegt prominent in unmittelbarer Nähe zum Torturm, der sog. Wiesecker Poart (=Pforte), die früher die einzige Einfahrt in den Ort Wieseck war. Die Eigentümerin ließ das Wohnhaus aus Familienbesitz grundlegend sanieren, dessen Denkmalbestand durch langjährige Vermietung und viele Umbauten und Veränderungen gefährdet war.

Unter größtmöglicher Erhaltung der Originalsubstanz wurde das ursprünglich auf Sicht angelegte Fachwerk fachgerecht freigelegt und nach restauratorischer Untersuchung farblich neu gefasst. Die nachträglich eingebauten, viel zu großen ungegliederten Fenster wurden wieder auf das ursprüngliche Maß reduziert und als Sprossenfenster ausgeführt, die Haustür denkmalgerecht aus Holz neu gefertigt, so dass sich heute ein harmonisches Gesamtbild ergibt. Auch die Sanierung der Innenräume erforderte viel Maßarbeit und individuelle Lösungen - im Ergebnis hat das Haus wie die Eigentümerin den Jurymitgliedern bestätigte, eine hervorragende Wohnqualität, gerade durch die denkmalgerechte Verwendung natürlicher, traditioneller Baustoffe. Die Preisträgerin hat einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des historischen Ortskerns von Wieseck geleistet und es ist zu hoffen, dass von dieser Sanierung eine große Vorbildwirkung ausgeht z.B. für weitere Fachwerksanierungen in Wieseck.

Ehemalige Heilstätte Seltersberg – Seltersberg Haus B

Kategorie: Klinikgebäude 

Preisträgerin: Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH


Die Heilstätte Seltersberg für Tuberkulose der oberen Luftwege wurde 1928-30 im Auftrag des Hessischen Landesverband zur Bekämpfung der Tuberkulose in exponierter Lage auf dem Seltersberg nach Plänen des Gießener Baurats Hans Meyer erbaut. Nach jahrzehntelanger Nutzung und leider auch unsachgemäßen früheren Sanierungen wurde das Gebäude 2018-21 vom Architekturbüro HDR Germany und dem Geschäftsbereich Bau und Technik des UKGM denkmalgerecht generalsaniert und zum Fachärztezentrum umgebaut.

Die aufwendige Sanierung der Fassaden ist aus denkmalpflegerischer Sicht äußert gelungen, nicht zuletzt durch die weitgehende Wiederherstellung des gut dokumentierten bauzeitlichen Erscheinungsbilds. Die prägenden Fenster wurden nach historischem Vorbild detailgetreu nachgebaut und die wenigen aus der Bauzeit erhaltenen sorgfältig restauriert. Auch wenn der originale Kratzputz aufgrund eines ungeeigneten früheren Farbauftrags abgenommen und erneuert werden musste, so konnten durch restauratorische Untersuchungen die Farbgestaltung originalgetreu wiederhergestellt und das gestaltprägende Betonwerksteindekor und die architektonischen Zierelemente herausgearbeitet werden. Prägend für das Klinikgebäude sind zudem die bauzeitlichen, expressiv gestalteten Einzelbalkone auf der Nordseite, die erhalten werden konnten, sowie die filigranen Südbalkone vor den ehemaligen Krankenzimmern für die Licht-, Luft- und Sonnenbäder, denen ehemals eine wesentliche Rolle im Heilprozess zukam. Diese wurden detailgetreu nachgebaut und erhielten eine kaum wahrnehmbare Erhöhung und einen innenseitigen Überkletterschutz, um heutigen Sicherheitsansprüchen nachzukommen.

Hervorzuheben ist auch der Nachbau der Haupteingangstür nach bauzeitlicher Vorlage und aller weiterer Nebeneingangstüren. Von der ursprünglichen dekorativen Innenausstattung ist nach über 80 Jahre fortdauerndem Klinikbetrieb heute wenig erhalten. Beeindruckend ist die Eingangshalle im Erdgeschoss mit dem repräsentativen offenen Treppenhaus und dem Bodenbelag und den Wandverkleidungen aus Lahnmarmor, die aus einem Restblock des heute nicht mehr abgebauten Steinmaterials vorbildlich ergänzt wurden. Durch die Entfernung der unpassenden Beläge auf den Treppenstufen und dem Einbau von dezenten Sicherheitsverglasungen anstatt der früheren Einhausungen der Treppenläufe kann die fein gestaltete steinsichtige Treppenanlage nun wieder zur Geltung kommen.

Die denkmalgerechte Sanierung durch das Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH hat einen wertvollen Beitrag zum Erhalt eines wichtigen stadt- und sozialgeschichtlichen Bauzeugnis der 1920er Jahre geleistet, von dem zudem eine vorbildliche Außen- und Signalwirkung für weitere Sanierungen auf dem Klinikgelände ausgeht.

Alte Post – Ehemaliges Telegraphenamt

Kategorie: Post- und Fernmeldegebäude


Das neugotische, ursprünglich aus einem Mittelteil und zwei seitlichen Kopfbauten errichtete spätere Kaiserliche Postamt Bahnhofstraße 91 wurde 1862/63 von Fürst Maximilien Karl von Thurn und Taxis in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs Gießen erbaut. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Telegraphie- und Fernsprechvermittlung folgte 1899 nach Nordosten symmetrisch ein Erweiterungsbau in gleichartiger Architektur und Formensprache aus roten Sandsteinquadern, so dass ein langgestreckter Baukörper mit drei mächtigen Staffelgiebeln entstand. 1927-29 erbaute die Oberpostdirektion im Hinterhof des Postamts ein Fernmeldegebäude mit hohem Mansardwalmdach und farblich dekorativ gestalteter Putzfassade mit expressiv gestalteten Eingangsportalen.

Diese Gebäude zählen zum wichtigsten Denkmalbestand der von Kriegszerstörungen stark gezeichneten Stadt Gießen. Mit großer Sorge wurde der zunehmende Verfall verfolgt, seitdem die Deutsche Bundespost als letzter Nutzer 1994 die Gebäude aufgab und 1998 verkaufte. Nach diversen Eigentümerwechseln entwickelte der Wettenberger Unternehmer Kai Laumann schließlich ein mutiges Revitalisierungskonzept. In enger Abstimmung mit der Denkmalpflege setzte er mit dem Büro Moos Planung GmbH eine bestandsorientierte und denkmalkonforme Neunutzung für Freizeitgastronomie, Wissenschaft, Gesundheit und Dienstleistungen um.

Die aufwendige Generalinstandsetzung erfolgte auf Grundlage einer genauen Bestands- und Schadenserfassung und eines restauratorisch-bauhistorischen Gutachtens.

Die fachgerechte, vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen finanziell geförderte Sanierung der prägnanten, durch Setzungen, Risse, Substanzverluste stark geschädigten Sandsteinfassade der Alten Post bildet sicher den offensichtlichsten und beeindruckendsten Beitrag für die Wiederherstellung des historischen Erscheinungsbilds. Die behutsame Reinigung, Restaurierung und Neuverfugung sowie der Einbau passender Ersatzsteine aus einem lokalen Steinbruch bewahren die Spuren der Zeit - z.B. die Verschmutzungen durch die Dampflokomotiven des benachbarten Bahnhofs. Neben der umfassenden, bestandserhaltenden Dachsanierung und Neueindeckung mit Schiefer wurden ca. 100 historische Fenster restauriert und nur sehr wenige ebenso wie die nicht erhaltenen Außentüren nach historischer Vorlage detailgetreu rekonstruiert. Trotz weitgehendem Verlust der historischen Innenausstattung durch frühere Eingriffe konnten z.B. die Deckenkonstruktionen, Klappläden, gusseiserne Stützen erhalten und wie die historischen Treppenhäuser nach bauzeitlichem Befund saniert werden.

Die Instandsetzung der gesprossten und mit aufwendiger Lüftungsmechanik ausgerüsteten ca. 100 bauzeitlichen Kastenfenster des ehemaligen Telegraphenamts stellte eine besondere Herausforderung dar. Die Sicherung und Restaurierung des historischen Dachstuhls, eine Schieferneueindeckung, der Erhalt der Originalputzfassade und Neufassung nach bauzeitlichem Befund belegen die denkmalgerechte Sanierung. Hervorzuheben ist zudem die den ursprünglichen Raumcharakter erhaltende Umnutzung der imposanten, zwei Stockwerke hohen Fernmeldezentrale zu einem Veranstaltungs- und Medienzentrum.

Mit Einfühlungsvermögen in die alte Bausubstanz, Engagement und einer Aufgeschlossenheit gegenüber den denkmalfachlichen Empfehlungen hat Herr Laumann nicht nur einen sehr wertvollen Beitrag zum Erhalt und Rettung zweier bedeutender Bauwerke und wichtigen Zeugnisse der Technik- und Stadtgeschichte geleistet, sondern auch einen attraktiven Anziehungspunkt am Bahnhofsvorplatz geschaffen. Die Sanierungsmaßnahme erzielt zudem eine vorbildliche Außen- und Signalwirkung.

Der Denkmalpreis 2022 im Film

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Denkmalpreis 2022 - Drei Vorbilder für den Erhalt alter Baukultur

Ausgezeichnet wurden 2022 Preisträger aus den Kategorien Fachwerkwohnhaus, Klinikgebäude und Post- und Fernmeldegebäude. Sie repräsentieren ganz unterschiedliche Bautechniken, Baustile und Nutzungen: Von traditioneller Fachwerkarchitektur für ein Eigenheim über einen repräsentativen Postbau mit aufwendig gestalteter Fassade aus lokalem Sandstein bis hin zu Putzbauten wie das ehemalige Telegraphenamt und die Heilstätte Seltersberg, die Ende der 1920er Jahre entstanden und den Aufbruch in eine neue sachliche Architektur dokumentieren.


Denkmalpreis 2020

Mietwohnhäuser Kugelberg 57-63

Kategorie: Mehrfamilienhaus

Preisträger: Baugenossenschaft 1894 Gießen eG

In der Kategorie Mehrfamilienhaus geht der Preis an die Baugenossenschaft 1894 Gießen eG für die Sanierung der Wohnhäuser Kugelberg 57, 59/61 und 63. Sie war die erste Gießener gemeinnützige Baugenossenschaft, die auf dem 1919 von der Stadt Gießen zur Linderung der Wohnungsnot nach dem 1. Weltkrieg ausgewiesenen Areal südöstlich der Bergkaserne Wohnungen erbauen ließ. Zunächst entstanden 1922/23 auf der Nordseite der neuen Straße „Am Kugelberg“ 20 zweigeschossige Einfamilien-Reihenhäuser mit Nutzgärten. Es folgten 1926/27 zur Senkung der Baukosten zwölf zweigeschossige Mehrfamilienhäuser mit ausgebautem Dachgeschoss. Zu diesen gehören die nun vorbildlich sanierten Wohnhäuser 57, das Doppelhaus 59/63 und Nr. 63. Sie unterscheiden sich durch die Anordnung und Ausformung von Giebeln und Gauben, der Position von Balkonen und durch die dezente neoklassizistische Bauzier.

Die preiswürdige Gesamtsanierung umfasste die Fassaden, die denkmalgerechte Wärmedämmung und zugleich nachhaltige Neueindeckung der Dächer mit Schiefer, die Sanierung der Wohnungen unter Erhalt der bauzeitlichen Grundrisse und zudem zur Verbesserung der Wohnqualität den Anbau von Balkonen im Erdgeschoss nach Vorlage der Balkone im Obergeschoss. Die Jury überzeugte besonders die Fassadensanierung. Untypische, gestaltlose Kunststofffenster aus den 1970er Jahren wurden durch Holzfenster nach historischem Vorbild ersetzt und wieder Holzfensterläden montiert. Unter größtmöglicher Wahrung des historischen Erscheinungsbilds entstanden durch zusätzlichen Einbau von Dachflächenfenstern und Ergänzung von wohlproportionierten Gauben gut belichtete Wohnräume im Dachgeschoss. Zur weiteren Anpassung an moderne Lebensverhältnisse wurden aus den klein parzellierten und vernachlässigten Grünanlagen großzügige Garten- und Stellplatzanlagen im Nordwesten gestaltet, die sich gut in das Ensemble integrieren.

Hervorgehoben wurde auch, dass die Baugenossenschaft unter Leitung ihres Architekten, Herrn Sebastian Bagsik, die denkmalgerechte Sanierung sozialverträglich umsetzte, so dass keine Mieter wegen der Bauarbeiten oder der neuen Mietstruktur ausgezogen sind.

Die Denkmaltopographie Gießen würdigt die Gesamtanlage Kugelberg-Friedensstraße als eine Wohnsiedlung der 1920er Jahre von seltener Geschlossenheit. Die denkmalgerechte Sanierung durch die Baugenossenschaft 1894 Gießen eG hat einen wertvollen Beitrag zum Erhalt eines wichtigen stadt- und sozialgeschichtlichen Bauzeugnis der 1920er Jahre geleistet, von dem eine vorbildliche Außen- und Signalwirkung – insbesondere für weitere Sanierungen in der Siedlung - ausgeht.

Bismarckturm

Preisträger: Förderverein Bismarckturm e. V.

Der Bismarckturm wurde 1904 durch Spenden aus der Studentenschaft und des Lehrkörpers der Universität errichtet. Seit dieser Zeit diente der Turm nicht nur Universitätsangehörigen, sondern allen Bevölkerungsschichten als ein beliebtes Ausflugsziel mit einzigartigem Panoramablick auf Gießen und die Umgebung. Der monumentale, aus mächtigen Lungensteinquadern gemauerte Turm hat einen quadratischen Grundriss mit einem würfelförmigen Aufsatz mit einer Reliefinschrift „BISMARCK“ und darüber ein betont flachgehaltenes Relief des Reichsadlers. Er ist ein Kulturdenkmal aus künstlerischen, kulturgeschichtlichen und universitätsgeschichtlichen Gründen.

In den 1970 Jahren wurde der sanierungsbedürftige Turm aus Sicherheitsgründen und wegen ständiger Vandalismusschäden geschlossen. Erst durch die Gründung des Fördervereins Bismarckturm Gießen e.V. und dessen Initiative erfolgte eine Sanierung des einsturzgefährdeten Turms. Der mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen entwickelte Finanzierungsplan sah vor, dass die Baukosten in Höhe von 135.000 Euro (ohne Außenanlagen) zu einem Drittel vom Förderverein und zu einem Drittel durch die Stadt Gießen getragen werden. Die restlichen Mittel in Höhe von 45.000 € wurden durch Landesfördermittel der Denkmalpflege gesichert.

Um den Turm und insbesondere die Krone vor Witterungseinflüssen und Feuchtigkeit zu schützen, wurde das komplette Fugennetz der Turmfassade denkmalgerecht erneuert und Steinschäden der Lungsteinquader fachgerecht behoben. Zudem wurde die Eingangstreppe erneuert, das Podest mit Basaltsteinen gepflastert und die Natursteininnentreppe restauriert. Ziel der Sanierung war die Wiedereröffnung und Begehung des Turms. Dazu wurden die nicht mehr tragfähige Aussichtsplattform erneuert, der Turmaufsatz mit restaurierter Ausgangstür wieder aufgebaut sowie die Feuerschale auf der Krone metallrestauratorisch bearbeitet und abgedichtet und eine originalgetreue Rekonstruktion der zerstörten oberen Metallspindeltreppe mit Handlauf eingebaut. Die wieder freigelegte Türöffnung zum Turm erhielt eine aus massiven Stahlplatten genau nach historischem Vorbild rekonstruiert Eingangstüre. Eine mit Baumbepflanzungen neu angelegte 100m lange Allee bildet heute den Zuweg zum Turm.

Die Sanierung des Bismarckturms konnte nur aufgrund des außergewöhnlichen und mühevollen Engagements des Fördervereins sowie dessen nicht unbeachtlicher finanzieller Beteiligung erfolgen. Trotz vieler Widrigkeiten haben die Mitglieder des Fördervereins über fast ein Jahrzehnt den Erhalt und die Sanierung des Bismarckturms vorangetrieben. Baustellenüberwachung, Bauleitung, Vertragsverhandlungen mit Firmen, Mittelbeantragung, Spendengelder sammeln, Behördengänge, Rechtsstreit und vieles mehr erfolgte in Eigenleistung.

Der Denkmalpreis 2020 im Film

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Denkmalpreis 2020 - Zwei Vorbilder für den Erhalt alter Baukultur

Eine Jury aus Mitgliedern des Denkmalbeirats, Mitarbeitern der Unteren Denkmalschutzbehörde Gießen und des Landesamts für Denkmalpflege Hessen haben zwei Preisträger für den Denkmalpreis der Stadt Gießen 2020 ausgewählt: Die Mietwohnhäuser Kugelberg 57 - 63 und den Bismarckturm
[Die Treffen der Jury und die Bereisung der Objekte fanden vor der Einführung der bei der Veröffentlichung des Films geltenden Pandemieschutzmaßnahmen statt.]


Denkmalpreis 2018

Industriedenkmal Alter Schlachthof, Schlachthofstraße 10

Kategorie: Industriedenkmal

Preisträger: Herr Dr. Wolfgang Lust

Der 1908 bis 1913 erbaute, ehemals städtische Schlachthof prägt durch eine charakteristische Silhouette mit markantem Turm und detailreicher, farblich abwechslungsreicher architektonischer Gestaltung das westliche Lahnufer der Stadt Gießen. Im Laufe seiner hundertjährigen Betriebszeit verunklärten den Jugendstilbau mehrere, in der Höhe variierende Anbauten.

Der neue Eigentümer, Herr Dr. Wolfgang Lust, hat unter größtmöglichem Erhalt der Originalsubstanz mit einer aufwendigen Gesamtsanierung eine neue Nutzung aus Wohnen, Gewerbe und Gastronomie für das aus künstlerischen, städtebaulichen und stadtgeschichtlichen Gründen unter Denkmalschutz stehende Industriedenkmal verwirklicht.

Die originäre Baukörperkubatur wurde unter Verzicht auf vorhandene Nutzflächen durch den Rückbau späterer An- und Einbauten freigelegt, historischen Fassaden aus den späteren Verfliesungen herausgeschält und mit nachgebrannten Klinkern restauriert. Die bauzeitlichen, sehr verschiedenartigen Holz- und Metallfenster wurden größtmöglichst erhalten oder nach historischem Vorbild rekonstruiert. Die Öffnung der ehemaligen Kalthalle als Außenbereich für Gebäudeerschließung, für Veranstaltungen und als Aufenthaltsort verschafft dem Ensemble eine eindeutige städtebauliche Orientierung und Mitte und lässt die ursprünglich gewerbliche Nutzung nachempfinden.

Licht in die ehemals dunklen und räumlich tiefen Kühlhäuser bringen Dachterrassen hinter den Bestandsklinkerwänden sowie über die Klinkerwände hinausragende, sich harmonisch einfügende moderne Glasaufbauten. Eine in Teile des Kellers eingebaute und nur über einen Autolift erreichbare Tiefgarage wurde sehr unscheinbar in das Denkmal integriert.

Die historische Stahl-Tragkonstruktion der Schlachthallen ist z.B. in Coworking-Spaces weiterhin ablesbar und auch die neue Gaststätte im ehemaligen Maschinenhaus behält mit Teilen der Originalausstattung und den historischen Metallfenstern ihren ursprünglichen Raumcharakter. Mit der aufwendigen Instandsetzung des prägnanten, heute allerdings funktionslosen Schornsteins besteht ein wichtiges Erinnerungszeichen der Industriekultur fort.

Hervorzuheben ist, dass für den Eigentümer, Herrn Dr. Wolfgang Lust, zugunsten des Erhalts des Kulturdenkmals bei der Sanierung nicht allein die wirtschaftlichen Aspekte dominierten. Die Sanierung leistet einen sehr wertvollen Beitrag zum Erhalt eines bedeutenden Bauwerks und wichtigen Zeugnisses der hessischen Wirtschaftsgeschichte und erzielt zudem eine vorbildliche Außen- und Signalwirkung. Sie ist in hohem Maße der Verleihung des Denkmalpreis 2018 der Universitätsstadt Gießen würdig.

Wohnhaus Ludwigstraße 40 und 40A

Kategorie: Stadtwohnhaus

Preisträger: Fuhrmann Planen & Bauen GmbH & Co. KG

Die Stadtwohnhäuser in der Ludwigstraße entstanden ab 1880 für Unternehmer, Fabrikanten, Handwerker und Architekten und prägen mit ihren repräsentativen, vor allem der italienischen Renaissance nahestehenden Gestaltungselementen auch heute noch die Hauptachse des Universitätsviertels. Die in einer Vielzahl trotz Kriegsschäden erhaltenen Gebäude wurden oftmals baulich verändert und Nutzgebäude wie Werkstätten und Lager in den charakteristischen Hinterhöfen errichtet.

Das zweigeschossige Wohnhaus Ludwigstraße 40 (Vorderhaus) wurde vom Gießener Architekten Karl Schön 1889 für den Fabrikanten Wiesel auf annähernd quadratischem Grundriss nach spätklassizistischen Gestaltungsprinzipien erbaut und 1908 mit einem schlichteren, dreigeschossige Hintergebäude (40A), das durch einen Hof vom Vorderhaus getrennt ist, ergänzt. Ein zeitgleich in das Vorderhaus straßenseitig eingebautes Ladengeschäft besteht mit mehrfachen Umbauten bis 2007, anschließend wird die Straßenfassade wieder geschlossen.

Der neue Besitzer, die Firma Fuhrmann Planen&Bauen GmbH & Co. KG aus Winnenden hat 2016-18 das aus künstlerischen und städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz stehende Gebäudeensemble saniert und Eigentumswohnungen eingerichtet. Nach vom Bauherrn beauftragten restauratorischen Untersuchungen der Putze und Farbfassungen der Fassaden und Innenräume wurden die Farbanstriche denkmalgerecht wiederhergestellt und die aufwendige dekorative Ausstattung des Vorderhauses mit Deckenmalereien und Stuckornamentik fachgerecht saniert. Die größtenteils vorhandenen bauzeitlichen Fenster mit originalen Beschlägen wurden erhalten und aus energetischen Gründen zu Kastenfenstern umgebaut oder nach historischem Vorbild erneuert, die Straßenfassade im Bereich des ehemaligen Ladens nach historischem Vorbild rekonstruiert. Dem denkmalfachlichen Anspruch auf größtmöglichen Erhalt von Originalsubstanz entsprach auch die Restaurierung von bauzeitlichen Türen, Beschlägen, Fenstergriffen sowie der Terrazzo- und Holzböden. Das Dachgeschoss des Hinterhauses wurde mit vier Dachgauben ausgebaut, die Dachneueindeckung erfolgte nach Befund mit Doppelmuldenfalzziegeln.

Die mit dem Denkmalschutz eng abgestimmte Sanierung durch die Firma Fuhrmann Bauen & Planen GmbH & Co. KG stellt einen wichtigen Beitrag zum Erhalt bürgerlicher Architektur in Gießen um die Jahrhundertwende 1900 dar. Die Ludwigstraße hat in diesem Abschnitt durch die denkmalgerechte, vorbildliche Sanierung eine enorme Aufwertung erfahren.

Hofreite Kirchstraße 6

Kategorie: Hofreite

Preisträger: Frau Ute Thelen und Hanns-Georg Thelen

In der Kirchstraße im Ortskern von Gießen-Wieseck sind noch viele Fachwerkhäuser aus dem 18. Jahrhundert erhalten, die aber oftmals nach dem Zweiten Weltkrieg stark verändert wurden. Das Sichtfachwerk wurde überputzt oder hinter Kunstfaserplatten, versteckt, Balken für größere Fenster oder neue Geschosshöhen und die alten Klappläden entfernt. Sanierungen seit den 1970er Jahren legten vielfach das Fachwerk frei, oftmals allerdings unter Verwendung von nicht-denkmalgerechten Materialien, so dass Folgeschäden entstanden

Die Preisträger Hanns-Georg Thelen und Frau Ute Thelen haben nun das schmale Fachwerkwohnhaus Kirchstraße 6 aus dem 18. Jahrhundert mit großem ideellem und finanziellem Engagement saniert. In enger Abstimmung mit der Denkmalpflege haben sie vorbildhaft das äußere und innere Erscheinungsbild der ehemaligen Hofreite wiederhergestellt, das Fachwerk freigelegt und instand gesetzt, das Dach saniert, Fenster und Klappläden nach historischem Vorbild erneuert und die unpassende Haustüre aus den 1960er Jahren samt Aluminiumvordach rückgebaut sowie die Innenwände mit Lehmputz versehen. Die historischen Pflastersteine der Hofdurchfahrt wurden aufwendig unter dem Asphalt freigelegt und der Innenhof mit Kopfsteinpflaster schön gestaltet. Die detailgetreue Restaurierung unter größtmöglichem Erhalt von Originalsubstanz, die handwerkliche Qualität der Arbeiten und die Verwendung von traditionellen Baustoffen werden denkmalfachlichen Ansprüchen überaus gerecht und die Jury erhofft sich durch diese Auszeichnung auch eine Vorbildwirkung dieser Sanierungsmaßnahme.

Der Denkmalpreis 2018 im Film

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