Stadt[Labor]
Hintergrund und Konzept
Das Oberhessische Museum befindet sich auf dem Weg zu einer Neukonzeption. Dafür wurde das Projekt Stadt[Labor]Gießen entwickelt, das im Jahr 2017 ins Leben gerufen wurde und auf zwei Jahre ausgelegt war. Es sollte die aktive Einbindung der Bürger*innen bei der Neupräsentation und Entwicklung der stadthistorischen Sammlung gewährleisten.
Um diesen Prozess in Gang zu setzen, wurden [Labor]Ausstellungen neue Themen, Konzepte und Präsentationen erprobt. Die begleitenden [Labor]Gespräche schafften durch Vorträge, Workshops, Aktionen oder Stadtspaziergänge ein zusätzliches Diskussionsforum. Es wurden zudem Partner und aktive Gruppen aus der Mitte der Stadtgesellschaft eingebunden.
Durch die [Labor]Website entstand eine weitere Kommunikationsplattform zur Dokumentation und dialogischen Beteiligung. Ziel des Gesamtprozesses war es, gewonnene Erkenntnisse und bewährte Formate in die neue Museumskonzeption einfließen zu lassen.
Drei Labor-Instrumente: Ausstellungen, Gespräche, Website
LaborAusstellungen
Innerhalb der Projektlaufzeit wurden drei Labor-Ausstellungen im Werkstattcharakter an unterschiedlichen Orten und mit Themen der Stadtgeschichte umgesetzt.
12 x Gießen - Vom Hügelgrab zum Kletterwald
Ausstellungsort: Kunsthalle Gießen, Berliner Platz 1, Gießen
Laufzeit der Ausstellung: 21.4.-6.5.2018
Kuratiert von Dr. Georgia Rakelmann und Dr. Ludwig Brake
Anhand von 12 Objekten wurden die Geschichte(n) von Gießen erzählt. Sie standen exemplarisch für wichtige Epochen der Stadtgeschichte und reichten von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Zeitgeschichte und lebendige Gegenwart.
Über das Ansehen der Stadt - Gießener Ansichten aus Fünf Jahrhunderten
Ausstellungsort: KiZ / Kultur im Zentrum, Südanlage 3a, Gießen
Laufzeit der Ausstellung: 12.-25.11.2018
Kuratiert von Prof. Holger Th. Gräf und Stefanie Funck
Die Ausstellung zeigte den Wandel in der Wahrnehmung der Stadt und in den unterschiedlichen Darstellungskonventionen an Beispielen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Sie richtete sich an alle, die an der Geschichte Gießens interessiert sind und bot eine neue Perspektive auf bekannte und weniger bekannte Darstellungen. Vor allem richtete sich die Ausstellung aber an jene, die das Oberhessische Museum und seine Bestände bislang noch nicht kannten und nahm sie mit auf eine Entdeckungsreise, die zeigt, dass die Veränderungen des Stadtbildes keineswegs nur eine lästige Erscheinung unserer Gegenwart sind, sondern das Merkmal der Stadt an sich.
"Gießen ist..." Orte und Bewusstsein einer Stadt
Ausstellungsort: Oberhessisches Museum, Altes Schloss, Brandplatz 2, Gießen
Laufzeit der Ausstellung: 23.5.-18.8.2019
Kuratiert von Jörg Wagner und Ingke Günther
In der Ausstellung wurden vier Themenbereiche behandelt, die Gießen und das Bewusstsein der Gießener prägten und bis heute prägen: Das Hessische Erstaufnahmelager, die Industriebrache Gail, die Studierenden und das ehemalige Depot der US-Armee stehen exemplarisch für eine facettenreiche städtische Gesellschaft, die in der Ausstellung zum Sprechen gebracht wird. Diese Themen verdeutlichen stadtprägende Entwicklungen, die einen Teil der Gießener Identität ausmachen. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Gegenwart und wird die Vielfalt der Gießener Horizonte sichtbar werden lassen. Gießen ist …ein Ort der Migration, Gießen ist …ein Industriestandort im Wandel, Gießen ist …geprägt durch seine US-Armee-Geschichte und Gießen ist … eine Stadt mit hoher Studierendendichte.
Weitere Informationen und Fotos zu den Ausstellungen können Sie per Mail (museum@giessen.de) anfragen.
LaborGespräche
Mit den Stadt[Labor]Gesprächen wurden diskursive Angebote entwickelt. Sie begleiteten und verbanden die Labor[Ausstellungen]. Dieses Format bot durch Workshops, Vorträge, Diskussionen, Aktionen, künstlerische Inszenierungen oder Stadtspaziergänge die Möglichkeit zum Austausch über die Themen, die das Oberhessische Museum, die Stadt, oder die Themen der Labor[Ausstellungen] betrafen. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und für die Museumskonzeption ausgewertet.
LaborWebsite
Die LaborWebsite stand für den gesamten Projektzeitraum und darüber hinaus zur Verfügung, um das Projekt die Stadtgesellschaft sichtbar zu machen. Zugleich wurde sie als Kommunikationsplattform des Projekts verstanden. Die Website wurde nun aufgelöst.
Zum Hintergrund
In den letzten Jahren hat in vielen Kommunen ein intensives Nachdenken über die zeitgemäße Rolle städtischer Museen eingesetzt. Wurde diesen früher traditionell die Aufgaben des Sammelns, Bewahrens, Erforschens und Vermittelns zugeschrieben, werden heute die Ansprüche an Museumskonzepte deutlich weiter gefasst: Es geht nicht mehr darum, die Stadt-, Regional-, Kunst- und Kulturgeschichte durch ausgewählte Exponate zu erläutern. Das Museum soll sich vielmehr auch als Bühne und Moderator verstehen, um für aktuelle Diskurse der Stadtgesellschaft ansprechbar zu sein. So wird es möglich, auf gegenwärtige gesellschaftliche Anforderungen einzugehen und auf Themen wie Mobilität, Migration, Identität, Integration, Partizipation oder Inklusion zu reagieren. Aus dieser konzeptionellen Perspektive wird damit das Publikum vermehrt in den Fokus gerückt – aus einer traditionellen Objektzentrierung wird eine verstärkte Besucherorientierung.
Das Oberhessische Museum in Gießen kann auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurückblicken. Begonnen durch die Sammlungstätigkeit des Oberhessischen Vereins für Localgeschichte 1879 und ergänzt durch die Sammlung des Industriellen und Kommerzienrates Wilhelm Gail, wurden diese beiden unterschiedlichen Sammlungsschwerpunkte 1925 zusammengeführt und gingen dann schließlich in den Besitz der Stadt als Oberhessisches Museum und Gail’sche Sammlung über. Gießen hat sich seit diesen Gründungsjahren des Museums erheblich entwickelt und versteht sich heute als „Wissenschaftsstadt“. Die Stadtgesellschaft ist zudem vielfältiger geworden und damit auch ihre Geschichten. Ein zeitgemäßes Museum ist gefordert, diese Veränderungen abzubilden, will es ein interaktiver Ort kultureller Identität(en) sein.
Diesem Paradigmenwechsel im aktuellen Museumsdiskurs möchte sich die Stadt Gießen aktiv stellen. Was muss sich verändern, damit das Museum zu einem Ort der Identitätsstiftung und Selbstvergewisserung der Gießener Stadtgesellschaft aber auch der Region werden kann?
Um diesem Prozess eine adäquate Struktur und Form zu geben, wurde das Konzept Stadt[Labor]Gießen unter Leitung des Kulturamts gemeinsam mit einer dafür einberufenen Steuerungsgruppe entwickelt. Als externer Museumsberater wurde Dr. Matthias Henkel (Berlin) hinzugezogen. Um die bisherigen Überlegungen öffentlich vorzustellen und zu diskutieren, sucht das Stadt[LABOR]Gießen unterschiedliche Orte außerhalb des Museums auf, wie beispielsweise die Kunsthalle oder das KiZ.
Die Neukonzeption des Museums mit seinen mannigfaltigen Beständen ist nicht im Handstreich umzusetzen. Aus diesem Grund hat die Stadt Gießen beschlossen, das Oberhessische Museum in den kommenden Jahren Schritt für Schritt zu einer Institution zu entwickeln, die den Anforderungen eines zeitgemäßen Museums entspricht. Ganz bewusst soll dabei der engagierten Stadtgesellschaft die Möglichkeit geboten werden, sich mit eigenen Ideen, Konzepten und Engagement einzubringen.