Zwei Vorbilder für Erhalt alter Baukultur: Verleihung des Denkmalpreises 2025
Am Donnerstag (03.07.2025) wurde zum fünften Mal der Denkmalpreis der Universitätsstadt Gießen durch den Magistrat verliehen. Die Verleihung fand im Rahmen einer Stadtverordnetensitzung statt. Mit diesem Preis werden seit 2018 Denkmaleigentümer in der Stadt Gießen ausgezeichnet, die in vorbildlicher Weise und mit großem ideellem und finanziellem Aufwand Kulturdenkmäler erhalten und pflegen.
Eine Jury aus Mitgliedern des Denkmalbeirats, Mitarbeitern der Unteren Denkmalschutzbehörde Gießen und des Landesamt für Denkmalpflege Hessen, besetzt mit Fachleuten aus den Bereichen Kunstgeschichte, Architektur und Denkmalpflege, hat nach denkmalfachlichen Gesichtspunkten entschieden. Der Preis besteht aus einer Bronzeplakette, die am Kulturdenkmal angebracht wird. Ein Geldpreis ist mit der Auszeichnung nicht verbunden. Die ausgezeichneten Sanierungsmaßnahmen wurden während der Preisverleihung in einer Bilderdokumentation vorgestellt.
In diesem Jahr hat die Jury zwei Preisträger ermittelt: eine ehemalige Scheune aus dem 18. Jahrhundert in Wieseck sowie das ehemalige Flughafenempfangsgebäude im Gießener Norden, das 1927 vom Stadtbauamt errichtet wurde. Beide Objekte wurden durch ihre Eigentümer und Sanierer einer neuen Nutzung zugeführt. Die lange Zeit leerstehende und landwirtschaftlich nicht mehr nutzbare ortstypische Scheune wurde zu Wohnzwecken umgebaut. Als Zeugnis der lokalen Luftfahrtgeschichte wurde ein ehemals wichtiges Verkehrsgebäude wieder zu einem Ort der Begegnung erweckt. Wie Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher in seiner Einführung betonte, haben beide Preisträger in enger Abstimmung mit der städtischen Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen die historische Bausubstanz nach Vernachlässigung oder späteren, die Substanz nicht respektierenden Veränderungen wieder freigelegt und denkmalgerecht saniert. Sie sind in ihrem jeweiligen Bereich Vorbilder für andere Bauträger oder Eigentümer von historischen Gebäuden.
Die Preisträger
Rabenauer Straße 39
In nächster Umgebung der Wiesecker „Port“ befindet sich die im 18. Jahrhundert errichtete Fachwerkscheune eines versteckt liegenden Hofes. Sie liegt mit steilem Satteldach im hinteren Teil einer schmalen Hofreite, die Traufseite ist zur Rabenauer Straße ausgerichtet. Solche Scheunenbauten, die seit Jahrzehnten nicht mehr ihrer ursprünglichen Funktion entsprechend genutzt werden, sind regelmäßig dem Verfall preisgegeben. Umso erfreulicher ist es, wenn an einem Beispiel wie diesem die Möglichkeit der Umnutzung von Scheunen zu Wohnzwecken aufgezeigt wird. Im Rahmen der Umbau- und Sanierungsarbeiten hat der Eigentümer mit großem Engagement und viel Liebe zum Detail die Arbeiten des Innenausbaus größtenteils in Eigenleistung durchgeführt. Neben der bestandsorientierten Umnutzungsplanung, die einen Großteil der historischen Scheunenkonstruktion sichtbar ließ, sind die handwerkliche Qualität des Innenausbaus sowie die Verwendung traditioneller Baustoffe und denkmalgerechter Sprossenfenster hervorzuheben. Durch die umfassende Sanierung in Verbindung mit der Neunutzung ist der Erhalt des Baudenkmals langfristig gesichert zudem wird der Straßenraum durch das stimmige Erscheinungsbild aufgewertet.
Mit der denkmalgerechten Sanierung durch Herrn Harry Hildebrand wurde ein wertvoller Beitrag zur Erhaltung eines ortstypischen Bauzeugnisses des ältesten Gießener Stadtteils Wieseck geleistet.
Am Alten Flughafen 1
1925 richtete die Luftverkehr Aktiengesellschaft Oberhessen-Lahngau auf dem bis dahin unbebauten, teilweise bewaldeten Gelände „Am Stolzen Morgen" einen Flughafen ein. Bereits ein Jahr später wurde die Strecke Frankfurt - Gießen - Kassel an 149 Tagen beflogen, so dass sich die Notwendigkeit für einen weiteren Ausbau des Flughafens ergab. Der vom Stadtbauamt Gießen geplante Bau wurde nach nur fünfmonatiger Bauzeit am 11. September 1927 feierlich eröffnet. In der Presse hieß es: „Der Neubau hebt sich in wirkungsvoller Weise von dem grünen Hintergrund des Waldes ab und wird durch seine gute architektonische Gestaltung das Wohlgefallen der Flughafenbesucher finden.“ Zehn Jahre später wurde der Gießener Zivilflughafen allerdings für die militärische Nutzung durch die Luftwaffe zum Fliegerhorst umgewidmet; nach dem Krieg übernahmen die US-Streitkräfte den Flughafen als Versorgungsdepot. Das für Gießener Verhältnisse damals außergewöhnlich moderne und avantgardistische Empfangsgebäude im Stil der 20er Jahre steht etwas erhöht auf einer Terrasse, die zur Außenbewirtschaftung diente. Eine auf die Mittelachse des Gebäudes ausgerichtete Freitreppe führte einst zum Rollfeld. Nach dem Abzug der US-Streitkräfte und der Schließung des Depots Gießen stand das Empfangsgebäude des ehemaligen Zivilflughafens leer und wies aufgrund langjähriger Vernachlässigung erhebliche Substanzschäden auf, die den Eindruck erweckten, das Bauwerk sei bereits unwiederbringlich verloren. Ein 2013 von den Denkmalbehörden beauftragtes Sanierungsgutachten belegte jedoch, dass, der tatsächliche Schadensumfang noch beherrschbar war. Als neuer Eigentümer trat im Mai 2014 Daniel Beitlich von der Gießener Revikon GmbH auf, der hiernach die Mittel für die Sanierung und damit Rettung des Gebäudes aufbrachte. Die aufwendige denkmalgerechte Generalsanierung erfolgte unter restauratorischer Begleitung und in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege. Der Schwerpunkt lag dabei darauf, die Originalsubstanz zu erhalten und die bauzeitliche Gestaltung nach Befund wiederherzustellen. Im Zuge der mehrjährigen, behutsamen und nicht von wirtschaftlichen Gesichtspunkten dominierten Sanierung wurde der ursprüngliche Baukörper unter Verzicht auf vorhandene Nutzflächen durch Rückbau späterer An- und Aufbauten freigestellt, die historischen Fassaden, Innenraumschalen und Einbauten instandgesetzt, von bauschädlichen Schichten befreit und entsprechend ihrer bauzeitlichen Farbigkeit restauriert sowie denkmalgerechte Fenster eingebaut. Das ehemalige Empfangsgebäude des Flughafens ist heute, nicht zuletzt auch dank der denkmalkonformen Nachnutzung und der detailverliebten Ausführung, wieder in seinem historischen Erscheinungsbild erlebbar.