ANACONDA (UA)
Tanz von Reut Shemesh & Musik von Simon Bauer
15.06.2025
18:00 Uhr
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Soziale Medien sind ein „Social Swamp“, ein bunter und zugleich tückischer Sumpf. Die israelische Choreografin Reut Shemesh ist für ihre roughe und direkte Tanzsprache bekannt und bringt mit „ANACONDA“ ein Stück auf die Bühne, in dem die Tänzer*innen des Stadttheaters wie Avatare von Social Media-Profilen in die Parallelwelt sozialer Netzwerke eintauchen. Begleitet werden sie von der Sängerin Julia Araújo aus dem Musiktheaterensemble, die als mysteriöse Personifikation der Anaconda als Algorithmus erscheint. Sie entführt uns in die digitalen Welten, die gleichermaßen Spielwiese wie Schlachtfeld sind. Der Grenzgang zwischen Fame, Shaming, Framing, Fakenews und Verschwörung ist allgegenwärtig.
In „ANACONDA“ tauchen wir ein in die Welt der Sozialen Medien wie in einen Dschungel. Zunächst vor allem bunt und betörend, zieht dieses Universum die agierenden Tänzer*innen in ihren Bann. Wie bewegt man sich in diesem Spielfeld, wenn man gleichermaßen überzeugt ist von den Versprechen sowie der Niedertracht dieser überwältigenden Welt? Welchen Akteur*innen folgt man, welchen Bullshit schickt man in Chaträume, für welche Bewegungen setzt man sich ein und wie lässt sich balancieren auf der Grenze zwischen gerechter Wut und blinder Aggression? Was davon schwappt über in das analoge Zusammenleben?
„Ich bin Israelin, und als ich am 8. Oktober 2023 aufgewacht bin und kurz durch Social Media gescrollt habe, hat mich der Hass von allen Seiten überwältigt. Ich war noch in Trauer und mich schockierte, wie schnell die Stimmung kippte. In diesem Schock habe ich gedacht, wie schwer es für Menschen ist Schmerz auszuhalten und es in nicht sofort in Rachefantasien umzuwandeln, mit denen sich Menschen online gruppierten. Mich interessiert, wie sich Wut und Aggression in unsere Körper einschreibt und performt wird.“ sagt Choreografin Reut Shemesh über ihre Motivation zu diesem Stück.
Reut Shemeshs Uraufführung „ANACONDA“ lebt von mitreißenden Tanzmoves, großen Gruppenszenen und popkulturellen Verweisen, die uns betören und dabei immer eine tragische Seite beinhaltet. Die in Tel Aviv geborene und aufgewachsene Choreografin hat seit fast 15 Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Köln. Als mulitmedial arbeitende Künstlerin verwebt sie in ihrem Werk zeitgenössischen Tanz, Experimentalfilm sowie Fotografie. Sie interessiert sich vor allem für die Uniformität von Gruppen, in denen sich ein bestimmter Zeitgeist abbildet, und wie unter der Oberfläche der Gleichförmigkeit trotzdem der individuelle Mensch herausragt.
Nach ihrem Tanzstudium in Jerusalem und am ArtEZ Institute of the Arts in Arnheim (Niederlande) absolvierte sie einen Postgraduiertenabschluss an der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln. Ihre Arbeiten wurden als Gastspiele auf internationalen Festivals eingeladen und für zahlreiche Preise nominiert. So erhielt sie für ihre Arbeit „LEVIAH“ den Kölner Tanz- und Theaterpreis 2016 und wurde vom Magazin tanz als „Hoffnungsträgerin 2019“ hervorgehoben. Im April 2019 entstand die Arbeit „ATARA“ während des Residenzprogramms im K3|Tanzplan Hamburg und wurde zur Tanzplattform Deutschland 2020 eingeladen. Ihr Forschungsprojekt WITNESS eröffnete das Impulse Theater Festival 2019. Auftragsarbeiten führten sie u. a. an das Theater Oberhausen („Bad Mothers“, 2022) und die Maslool School in Tel Aviv („GOLA 3rd Movement", 2022).
Simon Bauer verbindet mittlerweile eine 10-jährige Zusammenarbeit mit Reut Shemesh und so zeichnet er auch für „ANACONDA“ verantwortlich für die Musik. Er studierte Kontrabass in Berlin an der HfM „Hanns Eisler“. In „ANACONDA“ verbindet er flächige, vielschichtige Sounds mit Textfragmenten, gesprochen von AI-generierten Stimmen. Zusammen mit der Sängerin Julia Araújo, die das siebenköpfige Tanz-Ensemble auf der Bühne ergänzt, verwebt Simon Bauer die digitale Musik mit ihrer unverstärkten Stimme sowie den Klängen der E-Gitarre, die Araújo live spielt.
Verantwortlich für Bühne & Video ist Ronni Shendar, die einen knallpinken, minimalistischen Raum geschaffen hat. Als bildende Künstlerin arbeitet sie an der Schnittstelle zwischen Video, Fotografie, Musik und Bühnenbild. Ihre Arbeiten wurden international aufgeführt und gezeigt, unter anderem im Jüdischen Museum Frankfurt und im Institute For Modern Art in Brisbane. Auch sie verbindet mit Reut Shemesh eine 10-jährige Zusammenarbeit.
Lukas Noll, langjähriger Ausstattungsleiter am Stadttheater Gießen, steuert das Kostümbild bei, das die Tänzer*innen in leger coole Kleidung belässt, während Julia Araújo direkt einem Animationsfilm entsprungen scheint.
Choreografie Reut Shemesh
Musik Simon Bauer
Bühne und Video Ronni Shendar
Kostüme Lukas Noll
Licht Kevin Weidlich
Dramaturgie Caroline Rohmer
Choreografische Assistenz John Ross, Beatrice Panero
Produktionsassistenz Julia Rilling
Mit Julia Araújo, Pin-Chen Hsu, Borys Jaźnicki, Rose Marie Lindstrøm, Maja Mirek, Jeff Pham, Omar
Torrico Real, Laura Schönlau
Springer Emma Jane Howley, Gustavo de Oliveira Leite
Weitere Termine
12.04.2025 (Premiere) | 24.04.2025 | 02.05.2025 | 31.05.2025 | 15.06.2025 | 21.06.2025