Wirtschaft

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02.12.2021

"Innenstadt neu denken"

Wie lässt sich der Strukturwandel in den mittelhessischen Innenstädten aktiv gestalten? Das war Thema einer Veranstaltung, zu der das Netzwerk Kommune Akteure aus Wirtschaft und Verwaltung nach Dagobertshausen bei Marburg eingeladen hatte. Anhand von Keynotes und Workshop bekamen die rund 70 Gäste Gelegenheit, mehr darüber zu erfahren, wie Kommunen, Handel, Gastronomie, Kultur und Immobilienwirtschaft mit den Herausforderungen durch Onlinehandel und Verkehrswende umgehen können. Dabei gab es auch reichlich Raum für Diskussionen. Im Mittelpunkt standen dabei die Rolle der Kommunen und der Immobilienwirtschaft, Digitalisierung im Handel und aktuelle Konzepte und Entwicklungen in den mittelhessischen Städten. Kofinanziert wurde das Event von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

Nach der Begrüßung durch Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies setzten zwei Keynotes die ersten Akzente: Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V. (bcsd), referierte dazu, ob die Transformation der Innenstädte eine „Freiwillige Pflichtaufgabe der Kommunen sei“. Prof. Dr.-Ing. Nikolas Müller von der Technischen Universität Darmstadt mit dem Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Betriebswirtschaftslehre sprach über Herausforderungen und Strategieansätze für eine nachhaltige Innenstadtentwicklung aus immobilienwirtschaftlicher Sicht.

In den Workshops hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit, mehr zu Schwerpunktthemen zu erfahren und zu diskutieren. In der Session „Neue Konzepte für Handel und Innenstadtimmobilien“ diskutierten Paula Vordemfelde, Geschäftsführerin vom Modehaus Koehler in Gießen, Jannik Müller, Projektmanager bei GAL Digital, und Jeremias Rockel, Geschäftsführer der zweikopf Agentur. Vordemfelde berichtete, wie das Modehaus Koehler sich als stationärer Einzelhandel gegenüber der Online-Konkurrenz durchsetzen will. Dabei spiele der Service vor Ort eine wichtige Rolle, betonte Vordemfelde – zum Beispiel durch persönliche Beratung mit Termin und Stilberatung nach Ladenschluss. Wichtig sei dabei eine gute Verknüpfung von Online- und Offline-Präsenz, zum Beispiel mit einer imagewirksamen Homepage und Social-Media-Kommunikation.

Einen universellen Ansatz, sich als Einzelhändler aber auch als Stadt in der digitalen Welt zu positionieren, gebe es aber nicht, betonte Jannik Müller. Zu viele Apps und digitale Angebote seien auch keine Lösung und würden eine Überlastung bewirken; besser sei es, sich hier zusammenzuschließen und gemeinsame Lösungen zu finden. Jeremias Rockel berichtete über ein aktuelles Projekt, bei dem ein alter ehemaliger Güterbahnhof zu einer Event-Location umgebaut wird. Auch für den Standort der eigenen Marketing- und Event-Agentur habe man ein altes Fachwerkhaus gewählt. Bei dem Wunsch, vor Ort aktiv zu werden, habe auch „die Verbundenheit zur eigenen Heimat“ eine Rolle gespielt.

Über das aktuelle Landesprogramm  „Zukunft Innenstadt“ des Landes Hessen berichtete Jan-Bernd Röllmann, Geschäftsführer des Stadtmarketings Marburg und Sprecher des bcsd Hessen, im Workshop „Zukunft Innenstadt“. Gefördert würden dabei innovative und nachhaltige Maßnahmen zur Belebung der Stadtzentren und Ortskerne. Frank Hölscheidt, Abteilungsleiter Wirtschaftsförderung der Stadt Gießen, berichtete über einen Prozess in der Universitätsstadt mit unter anderem den BIDs (Business Improvement Districts) der Innenstadt zu Beginn der Corona-Krise. In dem Prozess seien die wichtigsten Treiber für Veränderung mit ihren Auswirkungen bis 2030 identifiziert, besprochen und anschließend in ein „Zukunftsbild“ gegossen worden. In diesem Bild bleibt die Gießener Innenstadt ein „multifunktionaler Erlebnisraum“ – geprägt von der Zusammenarbeit der verschiedenen Innenstadt-Akteure.  

„Neue Stadtentwicklungskonzepte“ waren das Thema im dritten Workshop. Über Konzepte zur Entwicklung der Marburger Oberstadt  sprach Anna Kaczmarek-Kolb von der Stadt Marburg. In der bei Touristen beliebten Altstadt hätten sich neue Akteure angesiedelt, die nicht nur Handel betrieben, sondern auch „Begegnungen schaffen“ – zum Beispiel durch neue Gastronomieangebote. Gegen Leerstände geht die Stadt mit einem Bürgerbeteiligungsportal vor, auf dem diese gemeldet werden können. So habe die Stadt die Möglichkeit, schneller zu reagieren. Tourismus spielt auch in Wetzlar eine Rolle, wie Rainer Dietrich von der Wirtschaftsförderung der Stadt berichtete. Die Altstadt mit ihrem markanten Domplatz müsse für diese Zielgruppe attraktiv bleiben. Hier sollen mit einem Umbau drei „Domhöfe“ entstehen, mit Handel, Gastronomie und Wohnraum sowie einem Tourismuscenter und einer Musikschule.

Es sei gut, dass sich bedingt durch die Corona-Krise, „Kommunal- und Landespolitik endlich einmal mit dem Thema Innenstadt beschäftigt haben“, sagte Rainer Dietrich in einer abschließenden Stellungnahme zu der Veranstaltung. Das Förderprogramm „Zukunft Innenstadt“ des Landes sei ein Ergebnis dieses Prozesses. „Innenstädte sind der Spiegel unseres gesellschaftlichen Lebens“, betonte Dietrich. Mit der Veranstaltung „Innenstadt neu denken“ hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen guten Anfang gemacht „miteinander Denkanstöße zu bekommen“, wie Innenstädte attraktiv bleiben können und Urbanität neu entstehen kann.

Wichtig sei, vor Ort miteinander zusammen zu arbeiten und auch mit der Immobilienwirtschaft eine „Win-Win-Situation“ zu schaffen, um eine „positive Wechselwirkung zwischen Eigentümern, Nutzern und Produzenten“ zu erreichen. Dabei sei auch Rechtssicherheit für Investoren wichtig. Deutlich geworden sei auch, dass die Region stärker zusammenarbeiten und „die völlig unterschiedlichen Stärken der Städte und Gemeinden“ bündeln müsse, um auch der Metropolregion Frankfurt gegenüber stärker zu werden.

Keynotes

(unter: Netzwerk Kommune will "Innenstadt neu denken")

  • Jürgen Block bcsd e.V.: Transformation der Innenstädte: Freiwillige Pflichtaufgabe der Kommunen?
  •  Dr.-Ing. Nikolas Müller: Herausforderungen und Strategieansätze für eine nachhaltige Innenstadtentwicklung aus immobilienwirtschaftlicher Sicht

Quelle: Regionalmanagement Mittelhessen GmbH

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