Schneider neue Präsidentin des Hessischen Landkreistags - Warnung vor Haushaltsnotlage der Landkreise
Der Hessische Landkreistag, Kommunaler Spitzenverband der 21 hessischen Landkreise, hat am 01.11.2024 im Rahmen seiner Mitgliederversammlung mit Anita Schneider, Landrätin des Landkreises Gießen, erstmals eine Frau an die Verbandsspitze gewählt. Gemeinsam mit Präsidium und Mitgliederversammlung warnt Schneider vor einer kollektiven finanziellen Handlungsunfähigkeit der Kreisebene
Im Rahmen seiner diesjährigen Mitgliederversammlung hat der Hessische Landkreistag in Wiesbaden mit Anita Schneider (SPD), Landrätin des Landkreises Gießen, erstmals eine Frau zu seiner Präsidentin gewählt. Landrätin Schneider ist Nachfolgerin des langjährigen Präsidenten Landrat Wolfgang Schuster (SPD), Lahn-Dill-Kreis, der am 06.11.2024 aus dem Amt ausscheidet und aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl angetreten war. Landrätin Schneider übernimmt zugleich das Amt der Vizepräsidentin des Deutschen Landkreistages.
Schneider erklärte auf Basis eines Beschlusses des Präsidiums und einer Resolution der Mitgliederversammlung, man stehe vor einer Zeitenwende, „weil die Haushaltsergebnisse der Landkreise nach Jahren der Konsolidierung wieder flächendeckend defizitäre Ergebnisse aufweisen, da trotz Rekordsteuereinnahmen die zunehmende Aufgabenflut der Landkreise nicht zu finanzieren ist und trotz eines fehlenden gesamtwirtschaftlichen Wachstums weiterhin Aufgaben auf die Kommunen übertragen und Leistungsansprüche des Staates ausgeweitet werden“. Den Landkreisen fehle insbesondere angesichts enormer Transferleistungen in die soziale Sicherung jeglicher Handlungsspielraum. Die festen Ausgabenverpflichtungen seien durch die von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden zu erhebenden Kreisumlagen nicht mehr zu decken, da diese selbst notleidend seien.
Die den Kommunen durch das Grundgesetz und die Hessische Verfassung garantierte Selbstverwaltung werde so weiter ausgehöhlt, erklärte Präsidentin Schneider. So führe die immer weitergehende Regelungsdichte der bundes- und landesrechtlichen Vorgaben dazu, dass den Kommunen kaum noch sachliche Gestaltungspielräume blieben. Zudem seien die finanziellen Grundlagen kommunaler Selbstverwaltung derart erodiert, dass die Basis für eine wirkungsvolle Betätigung außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben gar nicht mehr gegeben sei. In den vergangenen Jahren hätten viele Landkreise ihre Pflichtaufgaben nicht mehr finanzieren können.
„In den Landkreisen können wir nicht selbst darüber entscheiden, welche Aufgaben wir priorisieren, entfallen lassen oder verschieben wollen“, sagte Schneider. „Die Landkreise sind im hohen Umfang Erfüllungsebene für Aufgaben geworden, die auf Bundes- und Landesebene generiert werden.“
Die hessischen Landkreise werden zum Ende des Jahres 2024 flächendeckend ihre Liquiditätsreserven aufgebraucht haben, weil hessenweit ein Finanzdefizit von rund einer halben Milliarde Euro drohe, sagte Schneider. Der Haushaltsausgleich werde für die allermeisten Landkreise unerreichbar. Man blicke daher mit Sorge auf 2025 und die kommenden Jahre, denn „eine weitere Belastung des Finanzverbundes mit den kreisangehörigen Kommunen wird zu finanziellen Verwerfungen führen“. Es werde eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die Ansprüche an staatliches Handeln den verfügbaren Ressourcen anzupassen.
Als besonders aussagekräftige Beispiele für diese Entwicklung griff die Präsidentin die Finanzierung des ÖPNV und der vorgesehenen Krankenhausreform heraus. Beide Bereiche verzeichnen überproportionale Steigerungsraten bei den Betriebskosten für Energie und Personal. Zugleich sei aber zu beobachten, dass seitens Bund und Land ständig neue und zusätzliche Kosten in der Form neuer Anforderungen und der Gewährung zusätzlicher Rechtsansprüche vorgegeben würden, ohne zugleich eine dauerhafte Finanzierung bereitzustellen.
„Wir als kommunale Ebene können für all das nicht die Ausfallbürgen sein. Wir stehen ohnehin schon finanziell mit dem Rücken zur Wand. Es ist einfach nicht mehr genug Geld für die gewachsene Aufgabenfülle da“, erklärte Schneider.
Besonders wachsam müsse man bei der Krankenhausreform sein. Hier gehe es darum, dass der ländliche Raum in der stationären Versorgung vor Ort und in der rettungsdienstlichen Versorgung nicht abgehängt werde.
Präsidentin Schneider betonte, es müsse gemeinsam gelingen, mit Augenmaß und Zusammenarbeit Lösungen zu finden. Sie rief daher zu einem konzertierten und dialogbasierten Handeln in schwieriger Zeit über alle Ebenen hinweg auf.
Es folgte eine Festrede, die der Hessische Minister des Inneren, für Sicherheit und Heimatschutz, Prof. Dr. Roman Poseck, hielt. Grußworte hielten der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Dr. Achim Brötel, sowie der ehemalige Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier.
Der Hessische Landkreistag vertritt die gemeinsamen Interessen der 21 hessischen Landkreise. Der kommunale Spitzenverband repräsentiert damit in kreisrelevanten Belangen 79 % der Bevölkerung und 97 % der Fläche des Landes Hessen. Er hat seinen Sitz in der Landeshauptstadt Wiesbaden (Geschäftsstelle im "Haus der kommunalen Selbstverwaltung").
Quelle: Hessischer Landkreistag