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01.02.2023

Beteiligungssatzung: Aus Bürgern werden Einwohner und aus Bürgerantrag eine Petition

OB Becher stellt - nach Gerichts-Aus - notwendige Änderungen der Beteiligungssatzung vor

Aus Bürgern werden Einwohner - aus der Bürgerbeteiligungssatzung wird eine Satzung zur Beteiligung der Einwohnerschaft. Nur eine Namensänderung alleine ist es jedoch nicht, was Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher für den Magistrat der Stadt Gießen nun der Stadtverordnetenversammlung zum Beschluss vorschlägt. "Mit diesem Vorschlag zur Änderung der Bürgerbeteiligungssatzung möchte ich die gelebte und praktizierte Kultur der Partizipation der Gießenerinnen und Gießener an wichtigen Entscheidungen rechtskonform und ernsthaft fortsetzen", so Becher. "Wir sind für Anregungen und Diskussionen in Bezug auf unsere Politik auch weiterhin offen und wollen sie. Dafür steht auch die neue Satzung", sagte der OB.

Die Namensänderung sei dabei nur eine Klarstellung: Alle in Gießen lebenden Menschen sollen den Geist der Beteiligung im Sinne der Satzung leben können und teilhaben - dies sei nicht abhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Alter, erklärte Becher. Da der Begriff „Bürger“ juristisch nur die wahlberechtigten Einwohner umfasst, wurde jetzt der Begriff „Einwohner“ verwandt, der dieser Intention entspricht. Einwohner ist, wer in der Stadt seinen Wohnsitz hat.

Weitgehender sind dagegen andere Änderungen:

  • Alle Vorschläge, Anregungen und Forderungen aus der Einwohnerschaft nach dieser Satzung beziehen sich auf die Stadtverordnetenversammlung, nicht auf den Magistrat 
  • Aus dem Bürgerantrag wird eine Einwohnerpetition nach dem grundgesetzlich geschützten Petitionsrecht, für die die Stadtverordneten Sonderregelungen schaffen: Nach dem Vorliegen eines notwendigen Quorums (ein Prozent aller Einwohner) sollen sie entscheiden, wie auf die Petition reagiert wird.
  • Die Bürgerfragen können künftig vor oder nach - also außerhalb - der Sitzung der Stadtverordneten gestellt werden. Dazu müssen die Stadtverordneten das Verfahren definieren.
  • Bürgerversammlungen wiederum sollen künftig nicht mehr von Einwohnern per Quorum verbindlich verlangt werden können. Vielmehr können dann nur die Stadtverordneten selbst den Vorsteher des Parlaments darum ersuchen, eine Versammlung entsprechend der Gemeindeordnung abzuhalten. Dieser leitet sie dann auch.

"Diese Vorschläge reagieren allesamt auf die Beanstandungen von Regierungspräsidium und der Gerichte", stellte OB Becher fest. Diese hatten unter anderem geurteilt, dass die Mandatsträger/innen zu stark in der Ausübung ihres Mandats eingeschränkt würden. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte im Dezember 2021 letztinstanzlich geurteilt, dass die Satzung zu Recht vom Regierungspräsidium Gießen beanstandet wurde und damit auch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen bestätigt. Dies hatte im vergangenen Jahr zu einer Aussetzung der beanstandeten Teile der Satzung geführt. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung hatten daraufhin eine Überarbeitung der strittigen Paragraphen in Aussicht gestellt. Diese liegt nun vor.

Die Änderungen seien im konstruktiven fachlichen Austausch mit den Aufsichtsbehörden - Regierungspräsidium Gießen und Hessisches Innenministerium – erarbeitet worden, erklärte OB Becher. "Dabei war uns wichtig: Regelungen zur Förderung der Beteiligung sollen nicht verhindert werden. Aber die Rechte, die wir unseren Einwohner/innen geben möchten, dürfen nicht über die hinausgehen, die die Hessische Gemeindeordnung hergibt."

Er persönlich wünsche sich zwar "mehr rechtliche Verbindlichkeit im Umgang mit Anregungen und Wünschen der Gießener". Gleichwohl habe er anerkennen müssen, dass nur Änderungen der Gemeindeordnung auf Landesebene letztlich dazu führen könnten.

Dennoch sei er zuversichtlich: "Ich bin überzeugt: Was rechtlich noch nicht geht, wird in Gießen politisch dennoch gelingen. Kein gewähltes Mitglied der Stadtverordnetenversammlung wird sich einem von über 1 % der Einwohner Gießens getragenen Wunsch auf eine offene Diskussion aus der Bevölkerung entziehen wollen. Unsere lokale Demokratie lebt - und sie wird auch mit dieser geänderten Satzung zusätzlich befördert. Ein zahnloser Tiger ist auch diese Satzung nicht!", sagte Becher. 

Für ihn sei es deshalb auch keine Option gewesen, gänzlich auf diese Verfahrensregeln zur Beteiligung zu verzichten. "Wir wollen die städtischen Regeln ändern, so dass sie rechtskonform sind. Aber wir wollen nicht auf ihre Kernaussage verzichten: Diese Stadt fördert und ermöglicht die Beteiligung der Einwohner. Sie nimmt Meinungen ernst und beschäftigt sich damit. Das wird auch die neue Satzung ermöglichen."

Über die durch Gerichtsbeschluss hinaus notwendigen Änderungen werden weitere Erweiterungen vorgeschlagen: So wurde auf Vorschlag der Stadtverordnetenversammlung aufgenommen, dass Einwohnerräte gebildet werden können. Auch auf die Möglichkeit, ein Vertreterbegehren (als Initiative der Stadtverordnetenversammlung) durchzuführen, wird hingewiesen.

Unabhängig davon bleibt die innere Logik der Beteiligungssatzung erhalten:

1. Informieren

Über die E-Partizipationsplattform www.giessen-direkt.de mit Vorhabenliste und Kommentierfunktion

2. Diskutieren
  • Fragen an die Stadtverordneten stellen
  • Versammlungen anregen
3. Agieren
  • Anregungen & Kritik anbringen
  • Einwohnerpetition einreichen, die in der Stadtverordnetenversammlung behandelt wird

Die Änderungen sollen in der kommenden Sitzung der Stadtverordneten beraten werden. Der Verlauf der Vorlage kann im Parlamentsinformationssystem verfolgt werden.

Untenstehend finden Sie den aktuellen Stand (01.02.2023) der Vorlage:

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