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Der Landgraf von Hessen erwirbt Gießen

Dabei dürfte es sich zunächst nur um eine recht kümmerliche Existenz gehandelt haben, die allein durch die Straßen- und Flußlage Bedeutung erhielt. Diese strategisch günstige Position und das wachsende Interesse der staufischen Partei an der Absicherung ihres nördlichen Einflußgebietes, sind wohl auch die tieferen Gründe dafür gewesen, daß die Tochter Salomes, Mechthild, vor 1181 mit dem Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen, einem wichtigen Gefolgsmann Friedrich Barbarossas, verheiratet wurde. Gießen war damit in die staufische Herrschaftssphäre einbezogen und bildete gleichsam den "Schlußstein" des Einflußbereichs der Staufer im Norden der Wetterau. Doch mit dem Niedergang der staufischen Macht schwand auch bei den schwäbischen Adligen die Neigung, sich in ihrem nördlichen Außenposten zu engagieren. Sie verkauften ihren Besitz schließlich 1264/65 an den Landgrafen Heinrich I. von Hessen.

Die Lage Gießens war es, die zum Erwerb reizte. "Die steigende Bedeutung der großen Verkehrslinien für die hoch- und spätmittelalterliche Wirtschaft mußte früher oder später zum Erwerb des Platzes locken", wie Hans Patze es formulierte. Neben wirtschaftlichen spielten für die hessischen Grafen auch strategische Erwägungen eine Rolle. In der Auseinandersetzung mit dem Mainzer Erzbischof konnte mit Gießen eine Verbindung zu dessen nördlicher gelegenen Besitzungen gesperrt werden. Grünberg und Nordeck blockierten zwei weitere Verkehrswege. Die Stadt an der Lahn war damit in den Herrschaftszusammenhang desjenigen aufstrebenden Adelsgeschlechts eingebunden, dem die Zukunft in der Region gehören sollte.

Der strategischen Schlüsselstellung der Stadt als südlicher Außenposten seines Einflußgebietes wandte sich die besondere Aufmerksamkeit des Stadtherrn zu. Diese äußerte sich in erweiterten und verstärkten Stadtbefestigungen, der Anlage einer neuen Burg um 1300, aber auch in der Ausstattung mit Land und Rechten. Dazu gehörten die Ausdehnung der Stadtrechte auf die kleine Vorstadt, die sich zur Lahnseite hin entwickelt hatte, sowie die großzügige Erweiterung des Gießener Wirtschaftsraumes durch die Schenkung eines großen Waldgebietes. Dadurch wurde das kleine Gemeinwesen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts derart mit Land und Wald ausgestattet, daß sein Fortbestehen auf Dauer gesichert war. Doch mit den bereits etablierten Nachbarn, etwa der Reichsstadt Wetzlar, die den regionalen Handel in weitem Umkreis an sich zog, oder mit den hessischen Städten Marburg, Grünberg und Alsfeld konnte Gießen zu dieser Zeit nicht konkurrieren. Die städtische Wirtschafts- und Gewerbestruktur blieb an der Produktion für die "elementare Versorgung" des eigenen Bedarfs orientiert. Die Marktfunktion der Stadt beschränkte sich bestenfalls auf den näheren Umkreis.


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