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10.06.2022

Das Oberhessische Museum auf internationaler Bühne

Das Kleine Filmbüro – Gießen in bewegten Bildern des Oberhessischen Museums wurde vergangenen April zum FIAF (Fédération Internationale des Archives du Film) Kongress - dem Internationalen Verband der Filmarchive - nach Budapest eingeladen. In einem Vortrag vor etwa 350 FIAF-Mitgliedern schilderte der wissenschaftliche Mitarbeiter Mário Jorge Alves den Gießener Umgang mit Privaten Filmaufnahmen und dessen museale Nutzung.

Der Kongress zählt weltweit zu den wichtigsten internationalen Versammlungen zum Umgang mit Filmmaterial. In diesem Jahr fand der Kongress in Budapest statt, organisiert vom ungarischen Nationalarchiv im Filmtheater Urania, das zu den ältesten Kinos Europas zählt. Das diesjährige Thema des Kongresses lautete „Das sichtbare Archiv: Archivierung, Bewahrung, Digitalisierung und gemeinsame Nutzung von "non-feature"-Filmsammlungen“ und behandelte eben jene Filmkultur, der bisher nicht allzu große Beachtung in der Wissenschaft und der Archivierung zugeschrieben wurde. In jüngster Zeit ist sie jedoch immer stärker in den Fokus der archivwürdigen Prioritäten gerückt. Hierzu sind auch private Filmaufnahmen zu zählen, die beispielsweise Das Kleine Filmbüro des Oberhessischen Museums sammelt und diese in den stadthistorischen Kontext setzt.

„Das ist schon ganz schön beeindruckend, dass wir zum Kongress eingeladen wurden. Wir sind immerhin die kleinste vertretende Institution in Budapest und durften neben solch Größen wie dem Deutschen Bundesarchiv, Yale Film Archiv in den USA, Ludwig Bolzmann-Institut in Österreich, der Cinemathek Quebec in Kanada, der Cinemathek Toulouse in Frankreich, Jerusalemer Filminstitut in Israel, dem EYE Filmmuseums in den Niederlanden, der Cinemathek Lissabon in Portugal oder dem Filmmuseum in Buenos Aires in Argentinien um nur einige zu nennen, unser Museumsprojekt vorstellen“, so der Vertreter des Oberhessischen Museums, Mário Jorge Alves. „Unser Gießener Museum ist nun zwischen Japan, Südafrika und Argentinien für den Umgang mit privaten Filmaufnahmen weltweit bekannt. Und wir wurden sogar gefragt, an einer internationalen Kooperation mitzuarbeiten, um einen Leitfaden zum Umgang mit Amateurfilmaufnahmen zu erstellen. Das ist großartig!“, so Mário Jorge Alves weiter. Eine Gruppe von Archivaren aus den USA und Europa arbeitet zurzeit an der Erstellung eines Home Movie Handbooks, eines praktischen Leitfadens für Archivare, der wichtige Themen und Fallstudien im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Katalogisierung und der Präsentation von Amateurfilmen behandelt.

Das Oberhessische Museum kann seine Erfahrungen mit der sogenannten Citicen Science (der Beteiligung von Zeitzeugen bei der Erschließung von Geschichte) hier ins internationale Netzwerk einbringen.

The Visible Archive: Archiving, preserving, digitizing, and sharing 'non-feature' film collections (Das sichtbare Archiv: Archivierung, Bewahrung, Digitalisierung und gemeinsame Nutzung von "non-feature"-Filmsammlungen)

Heutzutage werden weltweit große Fortschritte bei der Digitalisierung und Restaurierung von Filmklassikern erzielt, aber es bleibt noch viel zu tun, um die Filmarchivierung zu einer strategischen kulturellen Priorität zu machen. Thema des Symposiums waren verschiedene Aspekte der Archivierung - vom Erwerb und der Katalogisierung bis hin zur Bewahrung und Verbreitung - von Filmen, die als "Non-Feature"-Filme bezeichnen werden, d. h. kürzeres, nicht narratives oder nicht-fiktionales Material. In den meisten Archiven übersteigt die Zahl der Non-Feature-Filme die der Spielfilme, Sammlungen von z. B. Wochenschauen und Experimentalfilmen werden tendenziell weniger beachtet, auch wenn ihr kultureller, technischer und historischer Wert weithin anerkannt ist. Obwohl die Archive beträchtliche Anstrengungen unternehmen, um ihre Bestände zu erhalten, zu digitalisieren und gemeinsam zu nutzen, bleibt ein großer Anteil dieser Art von kürzerem Material in ihren Sammlungen unsichtbar. Daher befasste sich das Symposium mit der Frage, wie diese äußerst vielfältigen Materialien erforscht und bewahrt werden können und wie solche Sammlungen für Archiv- und Hochschulgemeinschaften sowie für die breite Öffentlichkeit sichtbarer gemacht werden können. Der Titel des Symposiums wurde von Visible Man, or the Culture of Film inspiriert, dem Werk des ungarischen Filmtheoretikers Béla Balázs, der das Konzept der "Sichtbarkeit" in den Mittelpunkt seines Denkens stellte und es als äußerst wichtig für unsere Zeit ansah.

Der Vortrag von Mário Jorge Alves

Best practise: Collecting and archiving small gauge films together with the local community (Bewährte Praktiken: Sammeln und Archivieren von Schmalfilmen zusammen mit der lokalen Bevölkerung)

Wie viele andere Städte in Deutschland wurde auch Gießens Architektur während des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört und unzählige historische Dokumente gingen in den Bränden verloren. So gibt es nur wenige bewegte Bilder aus der Zeit vor, während und unmittelbar nach dem Krieg. Das Kleine Filmbüro im Oberhessischen Museum hat sich zum Ziel gesetzt, Amateurfilme zu sammeln, um einen Teil der Geschichte Gießens wiederherzustellen. Dazu verbindet es die Kleinfilme als solche mit den Geschichten und dem Wissen ihrer Besitzer*innen. Gemeinsam mit der Bevölkerung werden die Filme auf historischen Projektoren gesichtet, gesammelt und dokumentiert. In vielen Fällen werden sie auch digitalisiert. Diese Filme können dann in den Ausstellungen der Museen verwendet werden sowie in Zukunft auch für Neugierige und Forscher*innen öffentlich zugänglich sein.

Hintergrund

FIAF

Der Internationale Verband der Filmarchive, setzt sich seit 1938 für die Erhaltung des weltweiten Filmerbes und den Zugang dazu ein. In ihr sind die weltweit führenden gemeinnützigen Einrichtungen in diesem Bereich zusammengeschlossen.

Ihre Mitglieder engagieren sich für die Rettung, Sammlung, Bewahrung, Vorführung und Förderung von Filmen, die sowohl als Kunst- und Kulturwerke als auch als historische Dokumente wertvoll sind. Als die FIAF im Juni 1938 gegründet wurde, zählte sie vier Mitglieder. Im April 2021 gehören 171 Einrichtungen in 79 Ländern ihr an - ein Zeichen dafür, wie sehr das Filmerbe zu einem weltweiten Anliegen geworden ist. Nach über 80 Jahren Erfahrung in diesem Bereich ist die FIAF zum wichtigsten globalen Netzwerk von Kinematheken und Filmarchiven herangewachsen.

Das nationale Filmarchiv von Ungarn…

… war diesjähriger Veranstalter des Internationalen FIAF Kongresses

Das ungarische Filmarchiv wurde 1957 als Institut für Theater- und Filmwissenschaft gegründet. Seitdem hat es unter verschiedenen Namen die Aufgabe, das ungarische Filmerbe zu sammeln, zu schützen und zugänglich zu machen. Heute ist das Nationale Filminstitut - Filmarchiv stolzer Besitzer von mehr als 70.000 Spielfilmen. Die Sammlung des Filmarchivs umfasst auch große Vermächtnisse wie das nationale Wochenschau-Erbe, die Sammlung des Studio Balázs Béla (weithin bekannt in Europas Kunstfilm-Netzwerk), das komplette Archiv von MAHIR, der staatlichen ungarischen Werbeagentur, und die großen Werke des weltberühmten Animationsstudios Pannónia. Darüber hinaus verfügt das Archiv über eine eigene Bibliothek und eine einzigartige Sammlung von Fotos, Filmplakaten, Kostüm- und Bühnenbildern.

Urania Filmtheater

Das Uránia Nationale Filmtheater ist einzigartig unter den ungarischen Kinos, da es das einzige nationale Film- und Kulturzentrum ist, das als Institut arbeitet. Es ist das Pendant des Nationaltheaters und des Opernhauses, dessen wichtigste Aufgabe es ist, die Schätze der zeitgenössischen und klassischen Filmkunst zu präsentieren und zu zeigen sowie Filmklubs, nationale und internationale Filmfestivals und andere Veranstaltungen zu organisieren.

Ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Uránia war 1901, als auf dem Dach des Gebäudes der erste ungarische Spielfilm unter der Regie des Fotografen Béla Zsitkovszky, damals Filmvorführer der Urania, gedreht wurde. Der legendäre "Tanz" zeigte 24 Episoden aus der Geschichte des Tanzes, die von berühmten Schauspielern und Schauspielerinnen aufgeführt wurden.

Im Jahr 1930 wurde es zum UFA-Kino, nach dem Vorbild der Berliner Universum Film AG. Im Februar 1945 fand hier die erste Budapester Filmvorführung nach dem Zweiten Weltkrieg statt, und das Filmtheater wurde wieder zu einem der beliebtesten in der Hauptstadt.

Im Jahr 2006 wurde das Nationale Filmtheater Uránia mit dem Denkmalschutzpreis der Europäischen Union, Europa Nostra, für die herausragende Restaurierung eines Denkmals ausgezeichnet.

Oberhessisches Museum Gießen

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