Erleben

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INSIDEOUT #3 CargoCult

Aus der Reihe INSIDEOUT - Kunst im Schaufenster

Beginn:

Datum: 01.04.2021  

Ende:

Datum: 18.04.2021  

Ort:

Kunsthalle Gießen

Kulturamt

Berliner Platz 1
35390 Gießen

0641 306-1041
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Die dritte künstlerische Intervention der Reihe INSIDEOUT im Schaufenster der Kunsthalle bespielt die Kuratorin Dr. Julia Wirxel mit dem Künstler:innenkollektiv CargoCult.

Ehemaliges US-Depot Gießen, 2021, Bürostuhl, Greenscreen-Stoff © CargoCult
Ehemaliges US-Depot Gießen, 2021, Bürostuhl, Greenscreen-Stoff © CargoCult

Ehemaliges US-Depot Gießen, 2021, Bürostuhl, Greenscreen-Stoff

 

Gelassen, locker und charmant setzt sich CargoCult mit der Geschichte und Gegenwart, der Ästhetik der Institution, des individuellen Ausstellungsraums und des Ortes, der Stadt auseinander. Das Kollektiv arbeitet ortsspezifisch unter Wahrnehmung und Durchdringung vieler Schichten nach einem intuitiven, spontanen und „woken“ Prinzip. Dies bedeutet, dass sie intersektional vorgehen und für ungerechte Strukturen sensibilisieren. Auch schließen sie andere Seinsformen wie Tiere und Pflanzen mit ein und agieren radikal inklusiv.

CargoCult entwickeln künstlerische Ansätze wie die soziale Plastik, ebenso weiter wie emanzipatorische Praxis und sinnlich-konzeptuelle Herangehensweisen, indem sie künstlerisch forschend vor Ort tätig sind.

So lernten die Künstler*innen während ihres Rechercheaufenthaltes in Gießen Demonstrierende kennen, die sie in ihre Fotografien integrieren. Sie besuchten eine Gießener Flüchtlingsunterkunft und recherchierten zur militärischen Geschichte dieses Ortes. Auf dem Gelände legten sie Greenscreenstoff über den Zaun, der in der Bild- und Filmtechnik eine Lücke simuliert, welche durch einen beliebigen Hintergrund ersetzt werden kann. Speziell für die Ausstellung INSIDEOUT werden zwei Fahnen produziert, die vor dem Rathaus auf dem Berliner Platz präsentiert werden. Diese bilden eine Klammer von Innen und Außen sowie dem realen und virtuellen Raum. Motivisch prangt ein überdimensionaler QR Code auf einer Fahne, der mit dem Smartphone eingescannt werden kann und damit das Kunstwerk in den digitalen Raum hinein öffnet. Hier wird der Aspekt des Greenscreens aufgegriffen und das Unsichtbare erst durch den Scan visualisiert. In direkter Verbindung steht auf der zweiten Fahne der Satz WE SEE GHOSTS, inspiriert von dem Hip Hop Duo Kids See Ghosts, (Kid Cudi / Kanye West) und dessen gleichnamigen Album. CargoCult erheben durch das Wort We diese Gabe des Geistersehens zum allgemeingültigen Gut, was einen verbindenden Charakter besitzt, denn das Wir schließt niemanden aus. Das Hissen der künstlerisch gestalteten Fahnen selbst wird zur Performance und ist als Video im Internet abrufbar.

WE SEE GHOSTS

 

Im Schaufenster der Kunsthalle Gießen erweitert das Kollektiv ihre Enzyklopädie Sleeping Beauty, die mitunter direkt auf das Fensterglas appliziert wird. Als ortsspezifisches Zitat, in Bezug auf die Architektur des Gebäudes, werden die einzelnen Mauersteine als Maß für die singulär gestalteten Blätter genommen, die sich zu einer Installation verdichten. Denn es gibt für die Betrachter*innen, speziell für die Wartenden an der Bushaltestelle vor dem Fenster, den Bonanza-Shop. Per QR-Code kann man Sweater, Spiegelmedaillen und eine kleine Ausgabe der Sleeping Beauty Encyclopedia: Display/Centerfold S. 25-26 als Edition erwerben.

Sweater - CargoCult, squatter wish neon, 2020 © Rasmus Bell
Sweater - CargoCult, squatter wish neon, 2020 © Rasmus Bell

Sweater - CargoCult, squatter wish neon, 2020

 

In der künstlerischen Arbeit verknüpft sich Dornröschen, auf das die künstlerische Enzyklopädie Sleeping Beauty namentlich verweist, mit einem weiteren Märchen: Schneewittchen. Die Installation, die aus Farb- und Schwarz-Weiss-Kopien, Sweatern, einem Bürostuhl, Spiegeln und diversen Stoffen besteht, konterkariert die vordergründige Schönheit der Märchenfiguren und stärkt die Komplexität und innenwohnende Brisanz der historisch überlieferten Geschichten. Gleichzeitig wird das Konzept INSIDEOUT perfekt eingelöst, da nach dem Wahrnehmen und Aufnehmen des Ortes, dieser durch die Künstler*innen wiederum durch das Fenster in den Ort zurückgespiegelt wird. Besonders die Spiegelmedaillen potenzieren diesen Austausch. Differenzen und Details werden in den Arbeiten von CargoCult ohne Hierarchisierung wahrgenommen und künstlerisch umgewandelt wiedergegeben, um das Aushalten von Ambivalenzen und das Vergnügen an der Wachheit zu intensivieren.

 

CargoCult formierte sich 2012 in Berlin als Künstler:innenkollektiv innerhalb einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme, welche die Eingliederung von Arbeitslosen zum Ziel hatte und hauptsächlich Frauen mit Migrationshintergrund einschloss.

Mit temporären Kollaborateur:innen vertritt CargoCult eine Position, die die Welt der Kunst mit Mode, Massenmedien und realsozialen Ufern und Kanten verschmilzt. Gänzlich ohne linken Eskapismus und romantisch höchstens in ironischer Tradition, regt CargoCult eine Diskussion innerhalb eines eigenen globalen Raumes an. CargoCult forscht in und um den jeweiligen Aktions- und Ausstellungsort, entwickelt ortsspezifische Verwebungen und ergründet utopisch-visionäre Praxen mit den Mitteln der Kunst, z.B. mit einer eigenen Enzyklopädie, die in Teilen zum Mitnehmen bestimmt ist.

Dr. Julia Wirxel ist Kuratorin und Autorin von Texten zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie promovierte zu Idyllen in der zeitgenössischen Kunst. Als Kuratorin arbeitete sie an der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, der Kunsthalle Münster und war Direktorin des Kunstvereins Schwerin. Weitere Ausstellungen kuratierte sie in Basel, Reykjavík, Sevilla und Berlin, dort regelmäßig für die Städtische Galerie Berlin-Lichtenberg und zuletzt für den Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz zu postkolonialen Fragestellungen. Aktuell bereitet sie eine Ausstellung zu den Grenzen von Malerei vor.

 

INSIDEOUT – On air
Zum Nachhören: Live Interview mit Dr. Nadia Ismail in der hr2 Kultur-Sendung Am Nachmittag mit Alf Haubitz, vom 01. Februar 2021:

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