Erleben

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Gnauthstraße 2 - Heinrich Creter

Heinrich Creter
*10.01.1900 in Ludwigshafen
Zuchthaus in Butzbach und Kassel
überführt am 26.06.1942 nach Buchenwald, befreit 
verstorben an den Haftfolgen im Jahr 1947
Stolperstein verlegt am 04.07.2024

 

Standort Stolperstein Gnauthstraße 2

Geboren war der Schlosser am 10. Januar 1900 in Ludwigshafen, seine Frau, Margarethe Köhler, stammte aus Fulda, geheiratet hatten die beiden 1921 in Darmstadt, wie sie nach Gießen kamen, ist nicht bekannt. Die Creters zogen in Gießen mehrfach um, zum Zeitpunkt der Verhaftung von Heinrich Creter in 1937, wohnten sie in der Gnauthstraße 2, danach in der Werrastraße 13. Zu Zeiten der Weimarer Republik ist Heinrich Creter politisch nicht hervorgetreten, er gehörte keiner Partei an. Nachdem Hitler an die Macht gebracht wurde, kam er in Kontakt mit Hans Rosenbaum (für den ein Stolperstein in der Katharinengasse liegt) und Maria Baitz (heute bekannter als Ria Deeg), zwei Gießener Kommunisten, die ihn für die illegale Widerstandsarbeit gewannen. Zusammen mit den beiden gehörte er zu den führenden Genossen der bedeutendsten Gießener Widerstandsgruppe, die die „Rote Hilfe“ in Gießen in der Illegalität reorganisierten. KPD und SPD waren verboten, alle Parteien, außer der NSDAP aufgelöst, die Arbeiter-Sport und –Kulturvereine verboten, jedwede Form von Widerstand wurde verfolgt.

Man verteilte zentrale Materialien der KPD und selbst hergestellte Flugblätter, die in einer illegalen Werkstatt in Gleiberg gedruckt wurden. Alle Beteiligten waren von schwersten Strafen bedroht und mussten stets mit ihrer Festnahme rechnen. Zuerst traf es, bereits in 1933 die Kontaktleute der illegalen Leitung der KPD. Der Hanauer Paul Obenauer wurde zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt, Maria Sevenich floh in die Schweiz.

Anfang 1934 wurde der Krofdorfer Kommunist Louis Schleenbecker wegen der Verteilung von Flugblättern verhaftet, ihm gelang die Flucht über das Saarland, er kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg für die Republik und musste nach Paraguay fliehen, wo er strandete. Für ihn liegt ein Stolperstein in Krofdorf-Gleiberg.

Ria Deeg wurde Ende 1934 verhaftet und bis 1938 eingesperrt, mit ihr wurde der Wiesecker Karl Hofmann verurteilt, der bis 1943 in Zuchthaus und Konzentrationslager eingesperrt wurde. Bei der nächsten Verhaftungswelle Gießener Kommunisten, im November 1935 wurden der ehemalige Landtagsabgeordnete der KPD, der Wiesecker Wilhelm Lenz und 8 Mitangeklagte zu insgesamt 26 Jahren Haft verurteilt, an die sich für einige noch Konzentrationslager anschloss.

Kurz darauf wurde auch der Kurier, der die Flugblätter von der KPD Zentrale mit dem Motorrad nach Gießen brachte, verhaftet. Mit jeder Verhaftung wurden die Möglichkeiten für Öffentlichkeitsarbeit kleiner und nahm die Wichtigkeit der materiellen Unterstützung der Angehörigen der Eingekerkerten zu. Hierzu wurden bei Sympathisanten Gelder für die "Rote Hilfe" gesammelt und an die Bedürftigsten verteilt.

Creter sammelte Spenden für die „Rote Hilfe“ zur Unterstützung der verfolgten Genossen und der Angehörigen von Inhaftierten, er beteiligte sich an der Verteilung illegaler Flugblätter und Schriften der KPD. Diese Widerstandszelle blieb, trotz der vorherigen Verhaftungen, bis 1937 unentdeckt.

Als erster wurde Hans Rosenbaum gegen Ende April 1937 verhaftet. Daraufhin beschlossen Heinrich Creter und Walter Deeg, der ebenfalls zu dieser Gruppe gehörte, Deutschland zu verlassen und sich den republikanischen Truppen im spanischen Bürgerkrieg anzuschließen. Da die Verbindung zur Leitung der illegalen KPD bereits abgerissen war, machten sie sich per Fahrrad auf nach Aachen, in der Hoffnung im Dreiländereck über die Grenze nach Frankreich zu gelangen. Sie versuchten erfolglos eine Nacht lang die Grenze zu überwinden, gaben dann die Versuche auf und fuhren per Bahn nach Darmstadt, wo sie sich trennten.

Kurz darauf wurde Creter verhaftet. In der Folge wurden dann 8 Mitglieder der Widerstandsgruppe verhaftet und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Creter und Rosenbaum bekamen je 5 Jahre Zuchthaus, Deeg 3 Jahre, am glimpflichsten kam der Krofdorfer Kommunist Otto Rüspeler davon, dem man abnahm, dass er die anderen Angeklagten lediglich von früher vom Arbeitersport kannte.

Nachdem Heinrich die 5 Jahre im Zuchthaus Butzbach und Wehlheiden (Kassel) verbüßt hatte, wurde er keineswegs freigelassen, sondern am 26. Juni 1942 in das KZ Buchenwald überführt.

In Buchenwald gehörte Heinrich Creter zeitweilig mit Hans Rosenbaum, zum selben Arbeitskommando wie der bekannte Frankfurter Antifaschist Emil Carlebach, der zu den wenigen jüdischen Überlebenden von Buchenwald gehörte. Heinrich Creter hatte ebenfalls das Glück die Zeit im KZ zu überleben, trug aber von der langjährigen Haft schwere gesundheitliche Schäden davon. Sein Krankenblatt in Buchenwald weist mehrere Einträge auf, die auf eine Schädigung der Lunge hindeuten, Einträge von Impfungen gegen Typhus und Ruhr weisen auf die Buchenwalder Impfversuchsreihen hin.

Nach der Befreiung von Buchenwald kehrte er nach Gießen in die Wohnung in der Werrastraße zurück und arbeitete als Lagerist, es blieben ihm aber nur einige Monate Überlebenszeit.

Im Juni 1946 wurde er in die Gießener Uniklinik stationär aufgenommen. Dort stellte man fest, dass er 1944 im KZ an einem Lungenabszess und einer doppelseitigen Rippenfellentzündung erkrankt und dies nicht adäquat behandelt worden war. Zunächst gelang es eine Besserung zu erreichen und Creter wurde dann bis April 1947 ambulant behandelt. Nach erneuter Verschlechterung stellte man bei der erneuten stationären Aufnahme eine Abszesshöhle im rechten Oberlappen der Lunge fest. Der einzige Weg, den man seinerzeit sah, sein Leben zu erhalten, war eine Operation in einer Klinik in Heidelberg, die in Lungenoperationen führend war. Heinrich Creter verstarb dort an einer postoperativen Luftembolie. Er wurde nur 47 Jahre alt.

Seine Witwe hatte nur 44 DM Rente und kämpfte Jahre um Entschädigung für das Unrecht, das man ihrem Mann und ihr angetan hatte. Obwohl ihr bescheinigt wird, dass ihr Mann an den Haftfolgen verstorben ist – ein seltener Fall in Wiedergutmachungsverfahren – dauert es bis 1955, bis ihre Rente auf die damalige Mindestrente von 155 DM aufgestockt wird.

Die Angelegenheit findet dann 1957 ihren Abschluss: nach ihrer Wiederverheiratung wird ihr die Rente gestrichen.

Text: D. Bender

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