Erleben

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Gartenstraße 30 - Hedwig Burgheim

Hedwig Burgheim
*28.08.1887 in Alsleben, Saale
deportiert am 26.02.1943 ab Leipzig nach Auschwitz
ermordet am 27.02.1943 in Auschwitz
Stolperstein verlegt am 22.10.2009

 

Standort Stolperstein Gartenstraße 30


Hedwig Burgheim, geb. 28. August 1887 in Alsleben, Saale; ermordet 27. Februar 1943 in Auschwitz.

Ihre Eltern waren Martin Burgheim, Kaufmann und Caroline, geb. Bucky Sie hatte zwei Schwestern: Dorothea, geb. 1885, und Martha, geb. 1889.

 

Adressen

Gießen

1918 - 1933 Gartenstraße 30

1933 - 1935 Niederfeldstraße 7

Leipzig

Nov 1935    Fregestraße 22

1936           Wettiner Straße 9, hier erinnert ein Stolperstein an Hedwig Burgheim

1940           Fregestraße 7, zur Untermiete bei den Geschwistern Jonas

1940           Michaelisstraße 3 "Judenhaus"

1942           Nordstraße 15, als Leiterin des Jüd. Altersheims (zugleich "Judenhaus")

Ihr Leben vor 1933

Die junge Familie Burgheim zieht 1889 nach Leipzig. Dort hatten die Großeltern Bucky ein Textilgeschäft.

Hedwig besucht die Höhere Schule, und macht danach eine einjährige kaufmännische Ausbildung. Zugleich bildet sie sich privat weiter durch den Besuch wissenschaftlicher Kurse und Vorlesungen, sowie Französisch und Italienisch.

Ab Okt. 1908 ist sie als Gouvernante bei Kommerzienrat Bernhard Meyer, Verlagsbuchhändler, für dessen zwei Töchter tätig.

1911 wird auf Betreiben von Henriette Goldschmidt die Hochschule für Frauen in Leipzig eröffnet. Hedwig Burgheim ergreift die Chance und schreibt sich für das Studienfach Pädagogik ein. Mit dem Abschluss ist sie berechtigt, selbstständig Kindergärtnerinnen auszubilden. Außerdem hat sie die Qualifikation, als Berufsschullehrerin zu arbeiten. Neben der Tätigkeit zur Ausbildung von Kinderpflegerinnen hört sie Vorlesungen an der Uni Leipzig in Pädagogik, Psychologie und Volkswirtschaftslehre.

Im Sommer 1916 lehrt sie kurze Zeit an einer Schule in Grünheide (Brandenburg). Im April 1918 kommt sie als Pädagogin nach Gießen an das Fröbel-Seminar. Von 1920 bis 1933 ist sie Leiterin des Fröbel-Seminars.

Am 1. April 1921 übernimmt der Gießener Alice-Schulverein für Frauenbildung und Frauenerwerb das Fröbel-Seminar. Hedwig Burgheim bleibt Leiterin des Seminars. Sie baut die Einrichtung aus: eine Haushaltsschule, ein Lehrerinnenseminar für Kindergärtnerinnen, drei Kindergärten sowie zwei Kinderhorte kommen unter ihre Leitung.

In ihrer Zeit in Gießen hat sie ca. 800 junge Frauen zu Kindergärtnerinnen ausgebildet; und ungezählte Kindergartenkinder erfuhren eine nachhaltige Prägung.

Ihr Leben ab 1933

1933, nach fünfzehn Jahren anerkannter Tätigkeit in Gießen, wird sie aufgrund des "Gesetzes vom 7. April 1933 zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" zwangspensioniert. Ihr "Ruhegehalt" mit 46 Jahren beträgt 45 % des früheren Einkommens. Sie muss ihre Wohnung Gartenstraße 30 verlassen. Sie zieht zu ihrer Kollegin und Freundin Frau Mayer, geb. Schmalbach, nach Wieseck.

In Gießen ist ihr jeder berufliche Neubeginn verwehrt. Sie knüpft noch von Gießen aus berufsbezogene Kontakte in Leipzig. Die familiären Beziehungen zur verwitweten Mutter, der jüngeren Schwester sowie Nichte und Neffe erleichtern die Rückkehr nach Leipzig.

Die Israelitische Religionsgemeinde Leipzig eröffnet 1936 eine Haushaltungsschule und betraut Hedwig Burgheim mit deren Aufbau und Leitung. Es war die einzige schulische hauswirtschaftliche Ausbildung für jüdische Mädchen im gesamten mitteldeutschen Raum. Die Aufbauphase ist mühsam, aber erfolgreich. Während der Pogrome vom 09.11.1938 wird die Schule total zerstört.

Hedwig Burgheim kauft Lebensversicherungen zurück, und bemüht sich um Ausreise in die USA. Vergeblich.

Der Israelitische Schulverein holt sie im Frühjahr 1939 an die Carlebachschule, die jüdische Schule in Leipzig. Ab 1. Okt. 1939 untersteht die Schule der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. Sie wird zum 30. Juni 1942 wie alle jüdischen Schulen geschlossen. Hedwig Burgheim ist 1939 auch im Vorstand des jüdischen Kindergartens aktiv, wird im Sommer 1939 dessen Vorsitzende. Auf Anordnung der Gestapo muss sie den Kindergartenverein auflösen.

Im Februar 1942 wird Hedwig Burgheim die Leitung des jüdischen Altersheims (zugleich Judenhaus) in Leipzig (die bisherige Leiterin war im Januar 1942 nach Riga deportiert worden) übertragen. Auf der Deportationsliste für den 17.02.1943 muss sie ihren eigenen Namen lesen. Die Leipziger und Dresdener Juden wurden zunächst nach Berlin in das Sammellager Große Hamburger Straße verschleppt. Am 26. Febr. 1943 fuhr der Zug ab und erreichte am 27. Febr. das Vernichtungslager Auschwitz. Die Menschen mussten ihre restlichen Habe abgeben und wurden sofort ermordet.

Aus der Familie überlebte als einziger Hedwig Burgheims Neffe Rolf Kralovitz, er war in Buchenwald.

Gedenken an Hedwig Burgheim in Gießen

Hedwig-Burgheim-Medaille, gestiftet von ihrem Neffen Rolf Kralovitz, Köln. Verliehen wird sie seit 1981 zunächst jährlich, seit 1999 im Zwei-Jahres-Rhythmus, zu ihrem Geburtstag am 28. August - eingebettet in die Begegnungswoche mit den ehemaligen Juden aus Gießen und Umgebung. Bis zum Jahr 2008 wurden mit der Hedwig-Burgheim-Medaille 21 Persönlichkeiten (sechzehn Männer, fünf Frauen) gewürdigt.

Hedwig-Burgheim-Ring: Straßenname im Wohngebiet Sandfeld (Richtung Wißmar)

Gedenktafel in der Aliceschule 1996, Bronzebüste in der Plockstraße ("Gießener Köpfe") Januar 2009

Hedwig-Burgheim-Schule: Grundschule in Gießen-Rödgen

Quellen

Dilsner-Herfurth, Andrea: Hedwig Burgheim - Leben und Wirken. Hrsg. Rolf u Brigitte Kralovitz. 2008.

Die Hedwig Burgheim-Gedenktafel in der Aliceschule Giessen. Hrsg. Rolf u Brigitte Kralovitz. 1996.

Klein, Dagmar: Frauen in der Gießener Geschichte. Hrsg. Ursula Passarge. 1997. S. 109-112

Klein, Dagmar: Von der Wohltätigkeit zum politischen Engagement. Die Gießener Frauenvereine 1850-1933.

Und dennoch ... Hedwig-Burgheim-Medaille 1981 - 1993. Hrsg. von Heinrich Brinkmann 1993

Aliceschule Gießen, Ausstellung zu Hedwig Burgheim. Eröffnung 30.09.2009: http://p21256.typo3server.info/index.php?id=2

Henriette-Goldschmidt-Schule, Leipzig: http://home.arcor.de/da.grssm/Schulchronik/site/jahr_08.html

Stolpersteine in Leipzig, Wettiner Str. 9, für Hedwig Burgheim: http://www.stolpersteine-leipzig.de/index.php?id=147  

Hedwig-Burgheim-Haus im Elisabethenstift Darmstadt: https://www.pae-elisabethenstift.de/akademie/news/meldung_15.htm

Leipzig: Drei Türme (Kunstprojekt): http://www.999leipzig.de/public/choose_picture.php?zoom=1&center_pos=301&lang=de

 

 Text: Monika Graulich

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