Erleben

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Friedrichstraße 8 - Heinrich und Elisabeth Henriette Will

Heinrich Will
*27.08.1895 in Treis/Lumda
verhaftet 06.02.1942
hingerichtet am 19.02.1943 im Zuchthaus Preungesheim
Stolperstein verlegt am 12.02.2009

Elisabeth Henriette Will, geb. Klein
*02.11.1901 in Wien
verhaftet am 06.02.1942
Frauenzuchthaus in Ziegenhain
deportiert am 07.12.1942 nach Auschwitz
ermordet in Auschwitz
Stolperstein verlegt am 12.02.2009

 

Standort Stolpersteine Friedrichstraße 8


Heinrich Will

Heinrich Will wurde am 27. August 1895 in Treis/Lumda als ältester Sohn eines Landwirts geboren. Nach dem Besuch der Volksschule, erlangte er in Gießen die mittlere Reife. Schon als Jugendlicher war er ein begabter Zeichner. 1914 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und durch einen Giftgasangriff schwer verwundet.

Erst 1920, zwei Jahre nach Kriegsende konnte er aus dem Lazarett entlassen werden und kehrte nach Treis zurück. Durch seine schwere Erkrankung, war es ihm als ältestem Sohn nicht möglich, den Hof zu übernehmen. Er konnte als Stipendiat an der Städelschule in Frankfurt/M. noch im gleichen Jahr ein Kunststudium aufnehmen und besuchte ab 1925 die Kunstakademie in Düsseldorf. 1926 wurde er in die Meisterklasse für figürliche Malerei bei Prof. Josef Jungwirth an der Wiener Akademie aufgenommen, wo er sein Studium 1927 beendete. Während dieser Zeit in Wien lernte er seine spätere Frau Elisabeth Klein kennen. Nach seiner Studienreise nach Italien hält er 1929 um die Hand von Elisabeth an und 1930 heiratet er sie in Wien.

Er sucht eine Wohnung in Gießen und sie ziehen beide in die Moltkestraße, wo er auch sein Atelier hat.

Er beschäftigt sich in erster Linie mit Landschaftsgemälden der oberhessischen Umgebung sowie Auftrag-Porträts. Mit diesen Arbeiten und dank finanzieller Unterstützung durch seinen Schwiegervater, kann er ihren Lebensunterhalt einigermaßen sichern.

Nie in der demokratischen Ordnung der Weimarer Republik heimisch geworden, trat er 1933 dem „Kampfbund für deutsche Kultur“ bei und wird noch im gleichen Jahr zum Bezirksleiter Oberhessen des „Reichskartells der bildenden Künste" ernannt. Aufgrund seiner Ehe mit einer Jüdin und der „Nürnberger Rassengesetze“ wurde er aus seinen Ämtern entlassen und aus der Reichskammer ausgeschlossen. Dadurch durfte er seine Bilder in öffentlichen Ausstellungen nicht mehr zeigen. Dies war nur Mitgliedern der Reichskulturkammer gestattet. Dies führte in der Folgezeit zum Verlust der finanziellen Lebensgrundlage und sie zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück, da auch ab 1938 die Repressionen gegen seine Frau immer stärker wurden.

Ab dem Frühjahr nahmen er und seine Frau an der losen Diskussionsrunde, dem so genannten „Freitagskränzchen“ bei Dr. Alfred Kaufmann in dessen Wohnung teil. Anlässlich dieser Treffen wurden regelmäßig sog. „Feindsender“ gehört, über das Gehörte diskutiert und das NS-Regime heftig kritisiert. Durch den Verrat einer eingeschleusten Gestapo-Agentin wurden sie zusammen mit anderen am Abend des 6. Februars 1942 verhaftet und im Gestapogefängnis in der Neuen Bäue verhört. Dann nach Darmstadt abtransportiert und dort am 20./21.02.1942 vom Volksgerichtshof zusammen mit Dr. Kaufmann zum Tode verurteilt. Am Abend des 19. Februar 1943 stirbt Heinrich Will unter dem Fallbeil in der Strafanstalt Frankfurt-Preungesheim.

Der ebenfalls mitverhaftete Pfarrer Steiner wurde noch während der Gestapo-Haft im März 1942 ermordet.

Elisabeth Henriette Will

Elisabeth Henriette Will, geb. Klein, geboren in Wien am 2. November 1901 als Kind jüdischer Eltern. Sie macht Abitur und studiert Germanistik und Musikgeschichte an der Wiener Universität, beendet aber das Studium nicht, wird stattdessen Kindergärtnerin und tritt 1925 in den Dienst der Stadt Wien.

Auf einem Ball, zu dem sie die Eltern mitnehmen, lernt sie Heinrich Will kennen, der an der Wiener Kunstakademie studiert. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Fast 4 Jahre sehen sie sich, aber meist sonntags. Nach einem Italienaufenthalt Heinrichs hält dieser 1929 bei ihrem Vater um ihre Hand an. Sie verloben sich, Heinrich fährt nach Gießen, findet ein geeignetes Atelier und eine Wohnung in der Moltkestraße. Sie tritt zum evangelischen Glauben über. In Wien wird am 12.07.1930 die Hochzeit in der Wiener Evangelischen Kirche in Wien gefeiert, dann beginnt das gemeinsame Leben in Gießen.

Sie fügen sich gut in das Leben in Gießen ein und lernen einige Leute näher kennen. Ende der 30iger Jahre wird es für Juden in Deutschland immer schwieriger, aber es gibt Menschen die sie schätzen und sie kann sich im Freundeskreis fast wie normal fühlen. Dazu kam, dass durch die so genannte Privilegierte Mischehe in der sie mit ihrem Mann lebte, sie gewisse Sicherheiten hatte. Jüdische Frauen die mit einem arischen Mann verheiratet waren, mussten den Judenstern nicht tragen. Die Wills waren zwischenzeitlich im April 1932 in eine preiswertere Wohnung in die Friedrichstraße 8 in den 3. Stock unters Dach gezogen.

1941 ist ein besonders hartes Jahr für Elisabeth Will. Die Nazis verlangen, dass alle weiblichen Juden den zusätzlichen Vornamen Sara führen müssen. Heinrich hält sie davon ab ihre Kennkarte ändern zu lassen. Dies wird bei einer Kontrolle entdeckt und am 3. August 1941 wird sie wegen Vergehens gegen die Kennkartenverordnung und wegen Unterlassung der Führung des Vornamens Sara zu 100 Reichsmark oder 20 Tage Gefängnis verurteilt. Sie ist damit vorbestraft.

Am Abend des 6. Februar 1942 gegen 22 Uhr, werden anlässlich des Treffens des sogenannten Freitagskränzchen beim Abhören von Feindsendern etliche Personen, darunter auch Frau Will und ihr Mann, verraten durch die Gestapoagentin Dagmar Imgart, verhaftet. Die regelmäßigen Treffen fanden in der Wohnung des Dr. Alfred Kaufmann, An der Johanneskirche 5 1 Stock, statt. Die verhafteten Personen werden gefesselt ins Gestapo-Gefängnis in der Neuen Bäue verbracht. Von dort werden sie am nächsten Tag in die Gestapo-Zentrale nach Darmstadt zu Verhören transportiert. Bis Mitte März verbleiben sie dort in der Gewalt der Gestapo. Am 18. März werden sie in das normale Untersuchungsgefängnis Darmstadt verlegt. Für den 20./21. Juli 1942 ist vor dem Volksgerichtshof der Prozess festgelegt. In einem Schauprozess werden dort Heinrich Will und Dr. Kaufmann zum Tode, weitere Frauen; darunter auch Elisabeth Will zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Elisabeth Will und Bobby Schmidt, Lehrerin an der Goetheschule in Gießen, werden am 14. August 1942 ins Frauenzuchthaus Ziegenhain überführt. Von dort wird Frau Will am 7. Dezember 1942 um 14:15 Uhr nach Auschwitz entlassen. Ein Todestag ist nicht bekannt, vermutlich wurde sie direkt von der Rampe in die Gaskammer geführt.


 

Text: Peter Herold

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